Biedermeier in L.A.

AZ-Redakteur Adrian Prechtel über die Oscarnacht
von  Adrian Prechtel

Kontrastreicher hätte es nicht sein können: Vor genau einem Jahr räumte eine Frau mit dem denkbar explosivsten Film sechs Oscars ab, davon drei in den Königs-Disziplinen Bester Film, Beste Regie, Bestes Drehbuch. Die Königin des Abends war Kathryn Bigelow mit einem nervenaufreibenden Irak-Kriegsfilm: „Tödliches Kommando – The Hurt Locker“ – ein genialer Film, den aber niemand im Kino sehen wollte – weder in den USA noch bei uns.

Wenn diesmal der TV-Regisseur Tom Hooper mit „The King’s Speech“ in diesen Kategorien triumphierte, hat großartiges Mittelmaß gewonnen: Der Film ist großes Theater, ein Kammerspiel um einen stotternden König, der über sich hinauswächst. Und am Ende für Volk und Vaterland Verantwortung übernimmt. Das ist wunderbar gespielt (Oscar für Colin Firth) und in Szene gesetzt, aber konventionell und reizt das Medium Kino nie aus.

Dazu passte, dass man auch in der Oscar-Show selbst auf Bravheit setzte. In einer nostalgischen Einblendung ließ man noch einmal kurz Bob Hope als Gastgeber auferstehen. Und sofort war klar, was der aktuellen Oscarnacht fehlte: Witz und Mut. Denn mit Hathaway und Franco als Conferenciers hatte man Schauspieler, aber keine Entertainer. Doch genau das braucht eine Show, die über vier Stunden tragen soll. Hollywood ist zu feige. Die Golden Globes, die die Auslandspresse in den USA verleiht, hatte man noch von einem hemmungslosen Briten, Ricky Gervais, moderieren lassen. Bei aller Kritik, die es hagelte: Besser zu frech als zu bieder!

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.