Biederer Abenteurer

Viele Lächerlichkeiten, wenig Ironie: In Steven Spielbergs „Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“ gelingt es einzig Cate Blanchett als stalinistischer Superkommissarin dem Film Pfeffer und Charakter zu verleihen.
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Viele Lächerlichkeiten, wenig Ironie: In Steven Spielbergs „Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“ gelingt es einzig Cate Blanchett als stalinistischer Superkommissarin dem Film Pfeffer und Charakter zu verleihen.

Drei Möglichkeiten gibt es, aufgewärmte Legenden wieder zum Kochen zu bringen: Durch zeitgemäße, auch technische Weiterentwicklung, die geänderte Zuschauergewohnheiten einbezieht oder durch ironische Brechung und nostalgischen Charme.

Das beste Beispiel für diesen ewigen Jungbrunnen ist der Dauererfolg von James Bond. Die beiden Kindertraum- Filmfreunde der späten 60er Jahre, George Lucas (64) und Steven Spielberg (61), besiegelten 1977 den Pakt aus Technikbegeisterung und abenteuerlich- jugendlichem Family- Entertainment und kreierten „Indiana Jones“, der 1981 als „Jäger des verlorenen Schatzes“ ins Kino kam.

19 Jahre sind seit dem dritten und bisher „letzten Kreuzzug“ von Harrison Ford als sympathisch gebildetem Jedermann- Helden vergangen. Spielberg gestand in Cannes, dass er selbst Vorbehalte gegen eine Fortsetzung hatte.

Aber viele hätten ihn gedrängt – vielleicht, weil sie ihre eigene Kino-Sozialisation nicht Vergangenheit werden lassen wollten. Jetzt haben sie den Salat.

„Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“ wurde absichtlich, obwohl von „Star-Wars“-Lucasfilm produziert, aus Nostalgie nicht technisch aufgemotzt. Es sollte „handfest, nicht digital fantastisch“ werden. So wird wieder Bud-Spencerhaft mit dumpfen Aufschlaggeräuschen kampfgeprügelt, actiongeladen auf Jeep-Kühlerhauben gefochten, alles bleibt erdig. Aber Charme entwickelt das nicht, ganz im Gegenteil: Wo man als Zuschauer unzeitgemäß in die Action-Welt der 80er Jahre zurückversetzt wird, also hier keine Überraschung mehr möglich ist, fällt noch deutlicher auf, wie seicht die Abenteuergeschichte ist und wie flach die Figur des Archäologen Indiana Jones.

Diesmal geht es um einen peruanischen Kristallschädel, den Indiana Jones vor dem Zugriff der Russen retten will. Denn der kostbare Schädel verleiht psychologische Macht über die Menschheit, weil er von Außerirdischen stammt. Eine hanebüchene Erich-von- Däniken-Story, die man bei Unterhaltungs-Action durchaus schlucken würde. Da alles 19 Jahre nach der vorherigen 1938-Antinazi-Geschichte spielt, sind wir alle im Kalten Krieg der 50er. Man sieht die Atomtest-Horrorwolkenpilz- Vision.

Indiana Jones’ unpsychologisch eingeführter Sohn (ein blasses Bürschchen: Shia LaBeouf) ist ein James- Dean-Verschnitt, und die hysterische Frau aus Teil eins (Karen Allen) wird beim Wiedersehen zur einzigen Liebe erklärt. Diese Biederkeit wäre noch mit ironischem Augenzwinkern zu ertragen, um das sich der Film auch bemüht. Nur: Es zündet nicht, weil die Reminiszenzen an die alte Größe der „Indiana-Jones“- Saga so mutlos sind, dass sie nicht mal für geringe Lacher taugen.

Der Running Gag mit dem bürgerlichen Halbschlapphut, der aus jeder scheinbar ausweglosen Situation auch noch gerettet werden muss, oder das Bild von Sean Connery auf „Indys“ Archäologen- Schreibtisch und der Satz nach weniger gelungenem Alters- Stunt-Einsatz („Mist. Ich dachte, das klappt noch besser“) – das alles sind Lächerlichkeiten, die weder Ironie noch Witz haben. So bleibt es an Cate Blanchett als stalinistischer, russisch-ukrainischer Superkommissarin der Sache Pfeffer und Charakter zu geben. Letztlich gebührt ihr – als Vertreterin des Bösen – der größte Respekt, weil sie am konsequentesten für ihre Ideale und das Streben nach Erkenntnis einsteht, während Indy als Biedermann zum Traualtar schreitet.

Adrian Prechtel

Kino: Cadillac, Cincinnati, Gloria, Leopold, Mathäser, MaxX, Münchner Freiheit, Rio, Royal, Cinema und Museum Lichtspiele in OF

R: Steven Spielberg B: David Koepp K: Janusz Kaminski (USA, 123 Min.)

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