Beweg deinen Geist!
Der Vorhang ist weg. Und wer am Eingang steht, hat schon das gesamte Foyer im Blick. Den Marktplatz sozusagen, wo die Fäden zusammenlaufen, wo der Weg direkt zum Angebot führt. Das ist die – sichtbare – neue Offenheit im Haus der Kunst und der Anfang einer Wandlung. Okwui Enwezor, der neue Chef, will den Kunsttempel, der keine eigene Sammlung besitzt, weiten, ein „globales, öffentliches Museum” kreieren. Damit hat derüberall in der Welt vernetzte Ausstellungsmacher aus Nigeria gestern auch gleich das Leitmotiv seiner Pläne formuliert.
Der Sinn steht ihm nach Forschung, Diskurs, Vermittlung. Das gute alte Museum soll nicht mehr nur ein Ort der Kunstbetrachtung sein, sondern auch und nicht zuletzt eine Stätte des ständigen Austauschs. „Das Haus hat einen langen Weg hinter sich”, betont er. Einen problematischen dazu. Und um das zu zeigen, braucht der 48-Jährige Platz.
Eine Dauerausstellung zur Geschichte des Hauses
Die Archive sollen nicht mehr nur für ein paar Interessierte zugänglich sein, vielmehr erhält die Vergangenheit des Hauses einen Platz im Netz, vor allem aber eigene Ausstellungsräume. Damit wird die für Sommer geplante Schau zum 75. Jubiläum des Museums, das 1937 von Adolf Hitler eröffnet wurde, im Nachgang zum festen Bestandteil des Dauerangebots. Nicht nur fein aufgedröselt, sondern präsentiert als „historische Ereignisse im Konflikt”, wie es Enwezor umreißt.
Überhaupt sei das „gesamte Jahr der Reflexion über die Geschichte des Gebäudes gewidmet”. Wobei dieses Nachdenken über den Ort nichts grundsätzlich Neues ist, auch unter Enwezors Vorgängern Christoph Vitali und besonders Chris Dercon haben sich Künstler mit der Geschichte, dem Mythos, der Architektur des Troost-Baus auseinander gesetzt, dies zum Ausgangspunkt für die eigene Kunst gemacht. Aber allein die Verve, mit der Enwezor sein „reflexives Museum” vorantreiben will, ist bemerkenswert.
Spannkraft fürs Museum
Und schließlich, da lächelt er und wird fast poetisch, soll das Haus einen Millimeter über den Boden hinauswachsen, schweben. Bisher fehle es noch an Spannkraft, aber die werde sich schon einstellen. Etwa durch ein neues Design.
Fremde, die nach München kommen, würden das Museum leicht mit einem Verwaltungsbau verwechseln. Deshalb werden am Fries künftig große Lettern zeigen, womit man’s hier zu tun hat. Nicht statisch, also festgepappt, sondern in Bewegung. Frei nach dem Motto „Stretch Your Mind”, was man sinngemäß mit „Bewege deinen Geist” übersetzten kann. Dynamik soll das symbolisieren, Flexibilität, von der Enwezor gerne spricht. Die flimmert bald auch auf LED-Stelen durchs Foyer, quasi um Ausstellungsinhalte zu transportieren.
Sonst bleibt’s für die nächsten Monate beim Geplanten. Am 17. Februar wird die umfassende Schau des Fotokünstlers Thomas Ruff eröffnet, Mitte April kommt Nachschub aus der Sammlung Goetz, dann die genannte Ausstellung zum Jubiläum ab 10. Juni, im Oktober Land Art, und erst ab 23. November ist Enwezors Erstling zu sehen.
Das Münchner Musik-Label ECM und sein Macher Manfred Eicher stehen im Fokus. Was nur für Sekunden irritiert. Eicher, ein Mann mit Visionen, hat vorbei am Mainstream auf Zeitgenössisches gesetzt, auf Avantgarde und hochkarätigen Jazz. ECM arbeitet global, interdisziplinär. Was irgendwie auch zu Mister Enwezor passt
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