Bergsteiger trifft Kanzlerin: Reinhold Messner lüftet Geheimnis zu Urlauben von Angela Merkel
Eigentlich sollte sich das Gespräch um die legendäre Überwindung einer Schlüsselstelle in den Westwänden des Heiligkreuzkofels drehen. Die hat Reinhold Messner vor genau 50 Jahren bewältigt. Und zwar nicht – wie damals üblich – mit Hilfe eines Bohrhakens, sondern aus eigener Kraft, mit einem Minimum an technischen Hilfsmitteln.
20 Jahre dauerte es, bis ein zweiter Kletterer diese schwierige Passage im Schwierigkeitsgrad VII+ in der senkrechten Wand über dem Gadertal bewältigte. Und ebenfalls vor einem halben Jahrhundert schrieb Messner den Artikel "Mord am Unmöglichen", der gegen den forcierten Einsatz technischer Hilfsmittel beim Klettern protestierte.
Reinhold Messner: Sein Buch erscheint nächste Woche
Dieser Aufsatz erscheint – vermehrt um Beiträge heutiger Kletterer – nächste Woche als Buch mit gleichem Titel im Malik-Verlag. Das ist mehr was für Leute, die selbst klettern. Aber wenn Messner von seinen Abenteuern erzählt, verwandelt sich das Nebenzimmer des Restaurants Landersdorfer & Innerhofer unmerklich in eine Berghütte, und nach einem Glas Wein glaubt der Zuhörer, mit Messner selbst in der Wand des Heiligkreuzkofels zu hängen.
Dann kam Messner auf die Neue Seidenstraße der Chinesen zu sprechen und kehrte nach vielen gedanklichen Umwegen durch den Brennerbasistunnel wieder nach Südtirol. Dort macht unsere Kanzlerin gern Urlaub, woran Messner nach eigener Darstellung nicht unschuldig ist. Jetzt werden womöglich auch Flachlandtiroler unter unseren Lesern aufmerken, die noch nie einen Bohrhaken gesehen haben.
Und da Messner seine Geschichten vor zehn Pressevertretern ausgebreitet hat, ist das Weitertratschen kein Geheimnisverrat. Messner empfahl Merkel vor vielen Jahren das Fischleintal in den Sextener Dolomiten. Leider habe der dortige Hotelier den berühmten Gast an die Presse ausgeplaudert, was den Erholungszweck dieses Urlaubs stark geschmälert habe. Die Kanzlerin sei dann nach Sulden im Schatten des Ortlers geflüchtet, wo ein mit Messner befreundeter Architekt ein schönes Hotel gebaut habe, das leicht abzuschirmen sei.
Reinhold Messner: Wanderung mit Kanzlerin Merkel in Südtirol
Messner ist mit der Kanzlerin auch in Südtirol gewandert, und seine dortigen Museen hat sie auch besucht. Als er anschließend zum Essen einlud, bestand Bundeskanzlerin Angela Merkel als "korrekte protestantische Pfarrerstochter" darauf, selbst zu zahlen. Was Messner seinerseits widerstrebte, weil ihm das Restaurant gehörte. Nach einigem Hin und Her habe sich Bundeskanzlerin Angela Merkel doch einladen lassen – unter der Bedingung allerdings, dass sie Messner in ihrer Wohnung in Berlin bekochen dürfe. Gebannt von der Erzählkunst der Bergsteigerlegende, hat der Berichterstatter leider vergessen zu fragen, was denn serviert wurde.
Rotwein - serviert vom Kanzler-Gatten Joachim Sauer
Getrunken wurde Rotwein – serviert vom Kanzler-Gatten Joachim Sauer. Ihre recht karge Berliner Behausung bestehe aus einem Wohnzimmer und zwei Arbeitszimmern – eines für Merkel, eines für Herrn Professor Sauer. Ein gewisser DDR-Charme sei ebenso unverkennbar gewesen wie protestantische Kargkeit. Messner selber wohne erheblich luxuriöser. Dieses Jahr sei sie anscheinend nicht in Südtirol gewesen, bemerkte einer der Anwesenden.
Hm, meinte Messner nachdenklich, womöglich hinge im Hause der Kanzlerin der Segen schief. Auch bei seiner letzten Berliner Lesung sei nur Herr Sauer erschienen, um sich das Buch signieren zu lassen. Der Professor – glaubt Messner zu wissen – habe seiner Gattin dringend abgeraten, noch einmal Bundeskanzlerin zu werden.
Reinhold Messner schätzt Angela Merkel - er wandere nicht mit jedem
Aber diese an sich uneitle Frau sei doch im Innersten ausgesprochen ehrgeizig und wolle die Rekord-Amtszeit von Helmut Kohl brechen, was womöglich ihren Ruf ruiniere. Das sei bedauerlich, findet Messner. Denn er schätzt Bundeskanzlerin Angela Merkel: Sie habe 2015 durch ihre humane Tat den internationalen Ruf der Deutschen endgültig vom Nazi-Geruch befreit. Und er wandere auch nicht mit jedem.
Messner: Bitte von Ösi-Kanzler Sebastian Kurz nicht nachgekommen
Der Bitte, mit dem Ösi-Kanzler Sebastian Kurz den Ortler zu besteigen, sei er nicht nachgekommen. Er möge nicht, wie dieser Mann die ÖVP gekapert habe, um an die Macht zu kommen. Der Weg von Emmanuel Macron, den eine eigene Bewegung zur französischen Präsidentschaft geführt habe, sei ihm sympathischer. Messners neues Buch ist davon auf den ersten Blick weit entfernt.
Er und die anderen Bergsteiger erzählen vom Abenteuer, das sich an persönlichen und geografischen Extrempolen ereignet – ohne künstliche Hilfsmittel, Kommunikationsmittel und Drogen, als Tat in archaischer Welt nach einem anarchischen Muster. Aber vom schwer wiederholbaren, riskant-mutigen Schritt in der Wand am Heiligkreuzkofel lässt sich schon ein Bogen schlagen zu den einsamen Entscheidungen, die nicht nur jeder Politiker, sondern eigentlich jeder Mensch zu bewältigen hat.
Messner: Das Museum in Siegmundskron leite die Tochter
Diese existenzielle Dimension gehört bei Messner immer dazu, wenn er über das Bergsteigen redet, ebenso wie das Gefühl der Endlichkeit. Wer schon öfter an allerletzten Grenzen gestanden hat, tut sich mit dem Loslassen womöglich leichter als Bundeskanzlerin Angela Merkel. Heuer habe der 74-Jährige eine Hütte im Vilnösstal seinem Sohn übergeben wollen und sei dann doch davor zurückgeschreckt.
Das Museum in Siegmundskron leite die Tochter, die sich nicht dreinreden lasse. Er selbst schreibt Bücher – um geistig beweglich zu bleiben. Bis 2024, sagt er. Dann setzt er sich ins Museumscafé, um sich mit den Besuchern fotografieren zu lassen. Das tun die zwar schon jetzt, und Messner nervt das, wenn er in Eile ist.
Richtig böse ist Reinhold Messner den Leuten nicht
Er kann sich zwar noch immer sehr heftig über das Umfeld mancher Bergsteiger aufregen. Richtig böse ist er den Leuten nicht – als Geschäftsmann weiß er, wie wichtig der Tourismus für Südtirol ist. Da ist Messner womöglich ein wenig milder als früher, auch wenn er weiter vor den Gefahren warnt. Denn die Natur zu bewahren und für viele Menschen erfahrbar zu machen ist ein Spagat, der kaum leichter ist als die Durchsteigung der Wand des Heiligkreuzkofels.
Reinhold Messner: "Mord am Unmöglichen. Spitzenkletterer aus aller Welt hinterfragen die Grenzen des Möglichen" (Malik, 352 S., 26 Euro). Das Buch erscheint am 2. Oktober