Berge, Bier und ein Badeanzug
„Giacometti, Hodler, Klee...“ – die Hypokunsthalle zeigt eine anregende Mischung Schweizer Kunst aus den Beständen des ältesten Museums der Eidgenossen, dem Kunstmuseum Bern
Natürlich, ohne den Tell geht auch in der Schweizer Kunst nix. Erst recht nicht, wenn das älteste Museum des Alpenstaats – das Kunstmuseum Bern – im fernen München einen Einblick in sieben Jahrhunderte eidgenössischen Kunstschaffens gibt. Mit dem emphatisch ausgestreckten Arm des Visionärs beschwört der Freiheitskämpfer den Betrachter, auf steinigem Podest, so, wie es sich für den Helden einer gebirgsreichen Nation gehört.
Der Gipsentwurf des Bildhauers August de Niederhäusern macht den dynamischen Auftakt zur neuen Großschau der Hypokunsthalle und bildet zugleich eine dezente Verbindung in die Landeshauptstadt. Der Symbolist, besser bekannt unter dem Namen Rodo (eine Referenz an Rodin), starb während eines Besuchs in München. Unverstanden von seinen Landsleuten und damit kein Einzelfall, gerade in der Kunstgeschichte der Schweiz, die sich allzu lange hermetisch gegen modernistische und damit staatszersetzende Einflüsse von außen verschloss.
Lauter Individualisten
Auch die Absenz wichtiger Akademien führte dazu, dass viele Künstler schnurstracks das Weite suchten. Was in der Ausstellung für die eine oder andere Überraschung sorgt nach dem Motto: Ach, der war auch Schweizer?
Und man sucht vergeblich nach einem Nationalstil, nach dem wie auch immer Typischen, das wenigstens eine Kunstlandschaft andeutet. Persönlichkeiten wie Arnold Böcklin – von ihm aalt sich mal wieder ein saftiges Nixenweib auf der Klippe –, Félix Vallotton, Paul Klee oder Alberto Giacometti haben außer Landes gearbeitet. Und auch die Damen Sophie Taeuber-Arp, Meret Oppenheim und Pipilotti Rist wurden in Paris, New York oder Berlin berühmt. Man hat es augenfällig mit Individualisten zu tun, das macht die Ausstellung „Giacometti, Hodler, Klee...“ äußerst abwechslungsreich. Aber es gibt auch Heimataffine, die sich wie Franz Niklaus König oder Caspar Wolf vor allem in den Bergen tummeln und unser Schweizbild bestens bedienen.
Feinfühlige Porträts, Kinderbilder und eine Magenspiegelung
Irgendwo dazwischen pendeln der feinfühlige Porträtmaler und Käthe-Kollwitz-Lehrer Karl Stauffer-Bern (grandios grausig in seinem Realismus ist der „Liegende männliche Akt“) und Albert Anker, dessen seelenvolle und dennoch kitschferne Kinderbilder (köstlich, die „Kleinkinderschule“) sicher zu einem Magneten der Schau werden. Beiden hierzulande weniger bekannten Künstlern sind eigene Räume gewidmet. Und auch der Nationalheilige aus Bern, Ferdinand Hodler, der sich auf groteske Weise gegen tümelnde Brauchtumsmaler behaupten musste, erhält eine zentrale Plattform. Seine anspielungsreiche „Nacht“, deren öffentliche Ausstellung vor 120 Jahren verhindert wurde – sittenwidrig! –, ist zu sehen. Daneben „Der Tag“ mit eurhythmisch sich räkelnden Nackerten, die uns heute eher harmlos vorkommen. Oder der brachiale Holzfäller, ein grober Bruder des Jenaer Studenten aus der Neuen Pinakothek.
Wer auf Alberto Giacomettis lang gezogene, fadendünne Figuren fixiert ist, muss sich mit der (allerdings exquisiten) „Femme de Venice“ begnügen, wird aber durch Kunst aus dem familiären Umfeld entschädigt. Dafür gibt’s jede Menge Klee und delikate Grafik von der Oppenheim, die einst mit ihrem „Frühstück im Pelz“ Furore gemacht hat.
Und um endlich in der Gegenwart anzukommen: Der Badeanzug von Pipilotti Rist, durch den eine Videokugel mit laufender Magenspiegelung scheint, schießt sowieso den Berner Bären ab. Da helfen weder das Rote Kreuz noch der wackere Herr Tell.
Christa Sigg
"Giacometti, Hodler, Klee... - Das Kunstmuseum Bern zu Gast in München", Hypokunsthalle, Theatinerstraße 8, bis 9. Januar 2011, täglich von 10 bis20 Uhr, Eintritt 8, ermäßigt 4 Euro, Katalog (Hirmer) 25 Euro
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