Benedikt Böhm: Wettlaufen in der Todeszone

Der Münchner Speedbergsteiger Benedikt Böhm hat ein Buch über sein Leben und seine Wahnsinnstour am Manaslu verfasst, wo er Augenzeuge eines fürchterlichen Unglücks wurde  
von  Robert Braunmüller

Der Münchner Speedbergsteiger Benedikt Böhm hat ein Buch über sein Leben und seine Wahnsinnstour am Manaslu verfasst, wo er Augenzeuge eines fürchterlichen Unglücks wurde

Es ist der 22. September 2012. In München beginnt die Wiesn, in Nepal hocken die drei Freunde Bernhard Böhm, Sebastian Haag und Constantin Pade auf 6500 Metern Höhe in einer Flanke des Manaslu in ihrem Zelt und summen den Defiliermarsch für ein kurzes Video. Zwei Wochen später werden auch sie noch Gelegenheit haben, die Krüge zu stemmen, aber das ist reiner Zufall. Denn in den frühen Morgenstunden des 23. Septembers rollt eine riesige Lawine am Lager vorbei und begräbt 40 andere Bergsteiger. Die drei helfen schnell, aber für elf Bergsteiger ist es zu spät. Manche von ihnen hat der Berg bis heute nicht frei gegeben.

Man könnte solche Unglücke als Zeichen deuten und später im Basislager höheren Mächten danken, dass man noch seinen Tee schlürfen darf. Aber das ist Schreibtischdenken. Extremsportler funktionieren anders: „Wir haben alles getan, um zu helfen, und haben keine Sekunde gezögert. Und alle Verletzten haben überlebt. Das ist für mich das Wichtigste. Nur deshalb kann ich mich guten Gewissens dafür entscheiden, zu bleiben.“ Und den Wahnsinnsplan einer Speedbegehung vom Basislager (5000 Meter) auf den Gipfel (8163 Meter) doch noch in Angriff zu nehmen. Am 29. September um 18 Uhr starten Böhm und Haag in die lange Aufstiegsnacht, Pade will bei Camp II einsteigen. Zum Gipfel allerdings schafft es nur Böhm, den Abstieg begehen die drei auf Skiern, wenn es das Gelände zulässt. Nach 23 Stunden und 36 Minuten sind sie wieder zurück im Basislager.

Die Erzählung der Manaslu-Expedition unterbricht Böhm in seinem Buch immer wieder, indem er seinen Werdegang und andere Gipfelexpeditionen einstreut. Wer nicht davon träumt, durchgefroren in der Todeszone im Himalaya nachts im Zelt in eine Ovomaltinedose zu pinkeln, darf sich dennoch erfreuen an der Ehrlichkeit dieses Buches, das jeden Heldenton vermeidet und kein Abenteuer verklärt.
Wundern muss sich der Münchner Wanderer auch nicht, wenn er beim Aufstieg zur Alpspitze gleich zwei Mal von Böhm überholt wird: Der Speedbergsteiger läuft die Strecke oft doppelt – zu Trainingszwecken.

Benedikt Böhm: „Im Angesicht des Manaslu. Speedbergsteigen in der Todeszone“ (Malik, 264 Seiten, 19.99 Euro)

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