Bei einem Gott ist das Alter egal

Bassbariton Thomas J. Mayer rettet als Wotan-Einspringer die neue „Walküre” und findet am Ende noch eine buddhistische Idee
von  Robert Braunmüller

Mitte Februar musste der finnische Bariton Juha Uusitalo die Rolle des Wotan in der neuen „Walküre” der Staatsoper aus gesundheitlichen Gründen abgeben. Thomas J. Mayer springt in der Premiere des zweiten Teils von Wagners „Ring”-Tetralogie ein und singt auch die drei weiteren Vorstellungen im März. Im Internet kann man den vielseitigen Sänger übrigens auch als Posa in Verdis „Don Carlos” hören.

AZ: Herr Mayer, was haben Sie gemacht, als der Anruf der Staatsoper kam?

THOMAS J. MAYER: Ich saß gerade in Hamburg beim Essen.

Dort sind Sie auch schon als Wotan eingesprungen.

Nicht nur in Hamburg, sondern auch vor zwei Jahren sehr kurzfristig an der Pariser Bastille-Oper.

Wie lange singen Sie die Rolle schon?

Die Münchner Premiere wird meine 41. Vorstellung. Mein Debüt war vor sieben Jahren in einer Neuinszenierung am Theater Karlsruhe. Ich habe als Wotan in Cagliari gastiert, später bin ich meist eingesprungen. In der Zeit der Hamburger „Walküre” war ich dort fest engagiert. Es lag nahe, mich zu fragen. Der Erfolg hat überregionale Wellen geschlagen, denn es ist nicht selbstverständlich, dass jemand den Wotan innerhalb von drei Stunden abrufen kann.

Vom Alter her wären Sie eher ein „Rheingold”-Wotan.

Wotan ist ein Gott, da spielt das keine große Rolle. Entscheidend ist die geistige Dimension. Man braucht eine gewisse biografische Reife, um die Figur glaubhaft darstellen zu können. Natürlich wurde ich das auch schon vor sieben Jahren in Karlsruhe gefragt, aber ich traue es mir zu. Der Wotan ist eine Rolle, mit der ich mich noch lange auseinandersetzen kann.

Worin besteht diese geistige Dimension?

In der „Walküre” scheitert Wotans Plan, den Untergang der Götter durch die rettende Tat eines Helden abzuwenden. Diese Ohnmacht bringt ihn in einem schwierigen Prozess dazu, Macht und Liebe preiszugeben. Er opfert seinen freien Willen, indem er Brünnhilde in ewigen Schlaf versetzt. Das ist letztlich eine buddhistische Idee.

Das müssen Sie erklären.

Wagner fühlte sich während der Arbeit am „Ring” durch Arthur Schopenhauers philosophische Schrift „Die Welt als Wille und Vorstellung” bestätigt. Schopenhauers Pessimismus wiederum ist eine abendländische Anverwandlung der buddhistischen Nirwana-Idee und der Vorstellung, dass das Leben sinnlos ist. Wotan will im zweiten Akt sein eigenes Ende, getrieben von einer Ohnmacht. Aber es ist für ihn ein Loslassen der Welt, wie es der Buddhismus verlangt. Wie ich das zum ersten Mal gelesen habe, war ich überrascht, dass sich ein Komponist so intensiv auf philosophische Gedanken eingelassen hat.

Hätten Sie den Wanderer in „Siegfried” im Repertoire?

Schon, aber ich verrate Ihnen nicht, ob mich die Bayerische Staatsoper danach gefragt hat.

Kannten Sie den Regisseur Andreas Kriegenburg?

Ich habe ihn kennengelernt, als sein Münchner „Wozzeck” nach Tokio übernommen wurde und schätze seine exzellente Personenführung.

Nach dem „Rheingold” wäre zu vermuten, dass der Bewegungschor als Waberlohe den Walkürenfels am Ende mit Feuer umgibt.

Da will ich Ihrer Fantasie keine Schranken setzen. „Rheingold” ist ein Konversationsstück, fast eine Gesellschaftskomödie. In der „Walküre” liegt der Fokus stärker auf den Figuren.

Was machen Sie, wenn Sie nicht singen?

Ich würde jetzt gern in die Pinakothek gehen. Außerdem habe ich mein Fahrrad dabei, um bei schönem Wetter durch den Englischen Garten zu radeln.

Die Premiere am Sonntag, 16 Uhr, und alle weiteren Vorstellungen sind ausverkauft.

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