Bayreuth: Natalie Stutzmann dirigiert "Tannhäuser"

Das Debüt der Dirigentin bei den Bayreuther Festspielen ist eine veritable Offenbarung
Marco Frei |
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Die französische Dirigentin Natalie Stutzmann.
Simon Fowler Die französische Dirigentin Natalie Stutzmann.

Als 2011 der Originalklang-Experte Thomas Hengelbrock auf dem Grünen Hügel debütierte, blieb das Ergebnis hinter den Erwartungen zurück. Er dirigierte damals in Bayreuth die "Tannhäuser"-Premiere in der Regie von Sebastian Baumgarten. Statt einer hellhörigen Entschlackung, die den Gesang auf der Bühne beflügelt, tönte es aus dem Graben teils irritierend massig.

Ganz anders das jetzige Bayreuth-Debüt von Nathalie Stutzmann: Auch sie dirigierte "Tannhäuser", eine Wiederaufnahme der kultigen Inszenierung von Tobias Kratzer. Wie Hengelbrock kommt auch die 58-Jährige aus Frankreich ursprünglich aus dem Barock und der historischen Aufführungspraxis. Statt aber dieses Profil zu verwässern, hat sie es gezielt geschärft. Das Ergebnis war eine veritable Offenbarung.

Unter Stutzmann, nach Oksana Lyniv die zweite Frau im Bayreuther Festspielhaus am Dirigierpult, wurde diese Wiederaufnahme gefühlt zur eigentlichen Premiere. Zur Erinnerung: Die Premiere hatte 2019 Valery Gergiev dirigiert. Schon im Vorspiel ließ Stutzmann aus dem Graben einen unerhört vielfarbenen, schillernden Zauberklang erwachsen. Mit wohltuend fließenden Tempi entfesselte sie eine konzis gezeichnete klangliche Dramaturgie.

Mit dem Gesang auf der Bühne bildete das eine in sich geschlossene Einheit. Die Musik Wagners wirkte stellenweise fast schon so affektreich ausgedeutet wie im Barock. Von dieser konsequenten Entschlackung im Festspielorchester profitierten die Stimmen. Da ist Klaus Florian Vogt: In der Titelpartie sprang er für Stephen Gould ein, fraglos ein Gewinn. Sein wandelbarer, strahlend-heller Tenor kam in der nuancenreichen Leitung Stutzmanns umso besser zu Geltung, überragend die Textverständlichkeit.

Über das ausgeprägte, satt tremolierende Dauer-Vibrato von Elisabeth Teige als Elisabeth ließ sich streiten, eine echte Entdeckung hingegen der farbige, an der Berliner Linden-Oper engagierte Tenor Siyabonga Maqungo aus Südafrika als Walther von der Vogelweide. Sie alle wurden von Stutzmann getragen. In der Dynamik wirkte nichts übersteuert und forciert. Stutzmann atmete buchstäblich mit den Stimmen, auch mit dem Eberhard Friedrich wieder fantastisch einstudierten Chor.

Sie war selber einst Opernsängerin im Alt-Fach, studierte - neben Klavier, Fagott, Kammermusik und Dirigieren - unter anderem bei dem legendären Wagner-Bassbariton Hans Hotter. Als Opernsängerin hatte Stutzmann nicht nur in Händel- und Gluck-Opern brilliert, sondern auch als Erda im "Rheingold". Es war zudem ein Werk von Wagner, mit dem sie 2017 in Monaco als Opern-Dirigentin debütierte: der "Tannhäuser".

Die Festspiel-Leiterin Katharina Wagner hatte mit Stutzmann wieder einen guten Riecher, so wie bei Pablo Heras-Casado, der drei Tage zuvor den neuen "Parsifal" dirigierte. Beide, Heras-Casado und Stutzmann, haben bei ihren Bayreuth-Debüts die tückische Akustik mustergültig gemeistert. Geradezu perfekt die Balance zwischen Graben und Bühne: Wer vermisst da noch Christian Thielemann?

Wenn die Regie zudem kleine Details liebevoll ergänzt oder abändert, lohnt eine solche Wiederaufnahme umso mehr. Weil der Landshuter Kratzer 2025 in Hamburg neuer Intendant der dortigen Staatsoper wird, prangt auf einem Koffer im Video das Wappen der Hansestadt, und das Regie-Team ist in Matrosen-Klamotten zu sehen. Ein anderer Aufkleber auf dem Koffer verspricht ein Wiedersehen im nächsten Jahr, denn: Diese Inszenierung bleibt vorerst erhalten, gut so! Und München darf sich bald auf einen "Ring" dieses Regisseurs freuen.

Natalie Stutzmann soll auch im nächsten Jahr den "Tannhäuser" dirigieren

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