Bann der Buchstaben

Unter dem poetischen Titel „Die Aura des Alif“ zeigt eine Ausstellung im Münchner Museum für Völkerkunde besonders eindrucksvoll, wie wichtig die Schriftkunst im Islam war und ist
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Unter dem poetischen Titel „Die Aura des Alif“ zeigt eine Ausstellung im Münchner Museum für Völkerkunde besonders eindrucksvoll, wie wichtig die Schriftkunst im Islam war und ist

Am Anfang war das Wort „iqra’“ – „lies“, „rezitiere“! Nach islamischer Überlieferung richtet der Erzengel Gabriel diese überaus deutliche Aufforderung an den Propheten Muhammad, gleich zu Beginn der Offenbarung. Und man weiß: „Befehle“ können Kulturen prägen, zementieren und in diesem Fall sogar „festschreiben“.

Tatsächlich gibt es kaum eine Kultur, die so sehr von der Schrift geprägt ist, wie die arabische. Das ist derzeit im Museum für Völkerkunde eindrucksvoll aufgefächert und mit einer Reihe zum Teil kostbarer Exponate illustriert.

Die Schönheit der Schrift

Schon im Entree dominieren die elegant geschwungenen Buchstaben auf imposanten Bannern und schweren Buchdeckeln, auf Gürtelschließen und natürlich auf der Umrahmung des Mihrab, einer Gebetsnische, die sich hier auftut. Oder auf den typischen Fliesen, von denen jede ein eigenes Märchen zu erzählen scheint. Womöglich aus 1001 Nacht – diese kalligrafischen Raffinessen bringen die Fantasie schnell in Gang.

Mehr noch, als das in der Kultur des Abendlandes etwa die Kathedralskulptur oder die Freskenzyklen mittelalterlicher Kirchen besorgen und lange Zeit wirkungsvoll besorgt haben. Denn wo noch kein „Bild“ ist, da tun sich endlose Räume auf. Nicht nur für den Schriftunkundigen, der in dieser „Aura des Alif“ – so der Titel der Ausstellung – einfach nur die Schönheit der Schrift auf sich wirken lassen darf. Alif ist übrigens der erste der 28 Buchstaben des arabischen Alphabets.

Sicher, das Gros der fein gemeißelten, gemalten oder ziselierten Zeilen dreht sich um den Allmächtigen. Noch auf den profansten Gegenständen sind Suren zu lesen oder koranische Formeln, wie die heiligen Namen auf einer prächtigen, mit Karneolen besetzten Rückenschmuckplatte, die der Trägerin zusätzlichen Schutz – von oben – verleihen sollte.

Das zieht sich bis in die jüngste Gegenwart, in der sich heilbringende Schriftzüge auf trashigen Haarspangen oder Abziehbildchen, als Tätowierung heiliger Rösser und frommer Moslems und sogar auf schrill popigen Lastwagenverkleidungen finden. Das gibt dieser „Königin der Künste“ manchmal etwas enttäuschend Banales, zeigt aber auch, wie sehr die Schrift und damit das „iqra – lies“ noch heute islamische Länder dominiert. Mit und ohne Bilderverbot. Nur dachte Picasso eher an die alte, wie eine heilige Handlung zelebrierte Kunst, als er behauptet hat: „Wenn ich gewusst hätte, dass es so etwas wie die islamische Kalligraphie gibt, hätte ich nie zu malen begonnen.“

Christa Sigg

Museum für Völkerkunde, Maximilianstr. 42, bis 20. 2., Katalog: Prestel Verlag 28 Euro

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