AZ-Interview mit Robert Harris: Papst - „der unmöglichste Job, den es gibt“

Eine Papstwahl ist immer spannend, in Robert Harris’ großartigem Roman „Konklave“ aber wird sie zum Thriller.
von  Volker Isfort
Kardinäle aus aller Welt ziehen zum Konklave in die Sixtinische Kapelle ein, um den Papst zu wählen. Der Brite Robert Harris macht ais diesem Stoff einen Thriller.
Kardinäle aus aller Welt ziehen zum Konklave in die Sixtinische Kapelle ein, um den Papst zu wählen. Der Brite Robert Harris macht ais diesem Stoff einen Thriller. © Osservatore Romano Pool/epa

Der Papst ist gestorben, und nun ist eine der mächtigsten Positionen der Welt nicht besetzt. Aus allen Teilen der Erde strömen die Kardinäle in den Vatikan. In einem Konklave in der Sixtinischen Kapelle wählen sie, von der Außenwelt abgeschottet, einen aus ihrer Mitte zum neuen Papst.

Seit Jahrhunderten blühen die Spekulationen darüber, was bei einer solchen Wahl vor sich geht. Nun hat der britische Bestsellerautor Robert Harris aus der Wahl ein packendes Drama gemacht.

Robert Harris: "Konklave" (Heyne, 352 Seiten, 21,99 Euro)

Hauptfigur in „Konklave“ ist Jacopo Lomeli, Kardinal im Vatikan. Er ist dafür zuständig, die Papstwahl zu organisieren. Der bescheidene Mann, selbst ohne höhere Ambitionen, ist ein neutraler Beobachter, der aber mehr weiß als alle anderen. Unter den Favoriten für die Papst-Nachfolge ist ein italienischer Traditionalist, ein kanadischer Modernisierer, auch ein erster schwarzer Papst scheint im Bereich des Möglichen zu liegen. Doch Lomeli kennt ihre dunklen Seiten. Ginge es um die Wahl des „Thriller-Papstes“, müsste an dieser Stelle sofort weißer Rauch aufsteigen: Robert Harris ist ein Gütesiegel für spannende und intellektuell anregende Unterhaltung, wie er auch mit „Konklave“ eindrucksvoll von der ersten bis zur letzten Seite beweist.

AZ: Herr Harris, Sie haben sich mit dem Geld Ihres ersten Buchs und Überraschungsbestsellers „Vaterland“ ein Pfarrhaus in Berkshire gekauft, in dem Sie mit Ihrer Familie leben. Hat das Ihr spirituelles Leben beeinflusst?

ROBERT HARRIS: Ich würde das gerne sagen können, aber es stimmt nicht. Das Haus ist neben der Kirche, meine Frau ist dort engagiert, ich sehe sie ein- und ausgehen. Wir wachen mit den Kirchenglocken auf. Aber das war es auch für mich.

Wie kam es dann zu diesem Buch über die Wahl eines Papstes?

Ich interessiere mich brennend für Wahlen und den politischen Prozess. Vor vielen Jahren habe ich C. P. Snows „The Masters“ gelesen, das vom Machtkampf an einer Fakultät in Cambridge in den 30er Jahren erzählt. Alles findet in diesem alten Institut statt. Das ist Politik ganz nah und persönlich. Ich habe das Buch immer im Hinterkopf gehabt, als ich die Konklaven 2005 und 2013 verfolgt und gesehen habe, wie die Kardinäle nach der Papstwahl aus der Sixtinischen Kapelle kamen. Wie gerne wäre ich dabei gewesen! Dann habe ich begonnen, über das Konklave zu recherchieren und gemerkt, dass dies Stoff für eine dramatische Geschichte ist.

Sie sind kein Katholik, zeigen sich aber beeindruckt von der Welt des Vatikans.

Ja, von außen betrachtet sind das ziemlich alte Männer, die seltsame Regeln wie den Zölibat verfolgen, das wirkt sehr entlegen und weltfremd. Aber es handelt sich auch um politisch und intellektuell sehr einflussreiche Männer. Und viele von ihnen sind auch sehr amüsant. Ich habe meine Hauptfigur, Kardinal Lomeli, der mir sehr ans Herz gewachsen ist, erfunden. Ein Kardinal, dessen Name geheim bleiben muss, hat mir bei dem Buch geholfen. Nach der Lektüre schrieb er mir: „Lomeli ist ein Kardinal, wie wir Kardinäle uns zu sein wünschten.“

Auch der Vatikan hat Ihnen geholfen.

Das hat mich sehr überrascht. Die haben auch nicht nach irgendwelchen Garantien gefragt, wie das Buch ausfallen würde. Ich hätte diese auch nicht geben können. Sie waren sehr offen, sie haben mir alle Schauplätze im Vatikan gezeigt, die ich für mein Buch brauchte und die ein Tourist nicht sehen kann. Und am Ende ist das Buch ja auch in keiner Weise ungerecht gegenüber der Kirche. Sie schreiben: Kein vernünftiger Mensch kann sich wünschen, Papst zu sein. Ich würde sagen, das ist der unmöglichste Job, den es gibt. Es ist eine immense Last – und mit dem Urteil lebenslänglich verknüpft. Es ist geistig und körperlich anstrengend, dazu kommen die administrativen Aufgaben, und man braucht auch noch Performance-Qualität.

Und man braucht ein Ziel: Was wäre Ihres als Papst?

Ich fände es ein wenig wichtigtuerisch, wenn einer wie ich, der nicht einmal Katholik ist, Vorschläge gäbe, was ein Papst zu machen hat. Ich würde es lieber so sagen: Der Wind der Veränderung, der auf der ganzen Welt zu spüren ist, trifft die Kirche auch. Das Problem, eine globale Institution zusammenzuhalten in einer globalisierten Welt, ist gigantisch. Vor allem, wenn du gleichzeitig so unterschiedliche Ansichten wie in Afrika, Europa und Amerika hast. Ein großes Problem ist, dass die katholische Kirche, ähnlich wie der Islam, ein rückständiges Frauenbild hat.

Änderungen sind schwer durchzusetzen. Papst Franziskus scheint es zumindest zu versuchen.

Franziskus holt das Beste aus einem eigentlich unmöglichen Job heraus. Dass er sich als Außenseiter innerhalb der Institution gibt, ist ein außergewöhnlicher Schachzug. Vorzugeben, ein Leben in Einfachheit und Armut zu führen, die Herzen zu gewinnen und die Hardliner nicht zu vergraulen, ist ein wahnsinniger Balanceakt. Ich finde, er zeigt klar den Weg hin zu einer toleranteren Kirche, aber er muss natürlich unter allen Umständen eine Spaltung vermeiden.

Welche biblischen Texte waren für Ihr Buch die wichtigsten?

Ich habe die Evangelien gelesen, wohl zum ersten Mal seit vier Jahrzehnten, und wurde wieder stark daran erinnert, wie radikal Jesus gewesen ist und welchen Kontrast sein Leben und Denken zur heutigen Kirche darstellt, die ja vor allem sich selbst verehrt. Jesus hingegen stand in Opposition zu allen damals bestehenden Institutionen.

Machtkämpfe sind ja ihr Lieblingsthema, diesmal mussten Sie aber auch Predigten erfinden.

Das Härteste an diesem Buch war für mich die kontroverse Predigt, die Lomeli am Vorabend des Konklaves hält. Da habe ich mich schon wie ein Hochstapler gefühlt.

Sie hätten ja einen Priester um Beistand bitten können.

Das habe ich mich ganz ehrlich nicht getraut.

Hat Sie als Analyst der Macht eigentlich der Brexit mehr geschockt oder Trumps Triumph?

In der unmittelbaren Zukunft hat der Brexit wohl größere Auswirkungen auf mein Leben, und er hat auch mein Vertrauen in mein Land gehörig ins Wanken gebracht. Es läuft viel falsch bei uns. England stand für eine liberale, moderate und tolerante Welt, der Brexit hingegen steht für hässlichen Nationalismus. Ich habe vier Kinder, und ich hoffe doch sehr, dass sie sich aussuchen können, wo in Europa sie leben und arbeiten wollen.

Sie glauben nicht, dass es so einfach zum Brexit kommt?

Die Welt bewegt sich so schnell, auch der Brexit könnte von anderen Ereignissen überholt werden. Wenn Trump, nur als Beispiel, die Nato aufgibt, wie er im Wahlkampf gesagt hat, dann müsste das europäische Rüstungsbudget gigantisch erhöht werden. Und die EU würde sich ganz sicher nicht von der größten oder zweitgrößten Militärmacht des Kontinents abwenden.

Glauben Sie, dass Donald Trump durch das Amt vielleicht doch ein ganz anderer Präsident wird, als nun viele befürchten?

Ich bin da wenig optimistisch, gerade weil ich mich mein ganzes Leben lang mit der Frage nach der Moral und Korrumpierbarkeit der Macht befasst habe. Ein Amt kann einen Menschen schon stark verändern, aber normalerweise eher in die Richtung, dass es die bereits vorhandenen Charakterzüge noch verstärkt. Zu Donald Trump als Präsident kann ich nur sagen: „Bitte anschnallen, das kann ein unruhiger Flug werden!“ Wann immer ein reicher Demagoge die Massen gegen die sogenannte Führungselite aufgepeitscht hat, gab es riesige Umwälzungen. So ist auch die Römische Republik untergegangen. Ich habe mich immerhin zwölf Jahre lang während meiner „Cicero“-Trilogie genau mit dieser Phase befasst. Und auch gegenwärtig erleben wir gerade, dass die alte Ordnung zusammenbricht.

Wir erleben Wahlkämpfe, in denen Fakten und die Realität egal sind.

Das Internet macht die Meinung des Pubbesuchers, der ein paar Mal die Woche in der „Sun“ blättert, genauso wichtig wie die eines Menschen, der Jahrzehnte politische Hintergründe erforscht. Es ist sehr schwer für eine demokratische Gesellschaft, das auszuhalten. Denn eine starke, verantwortungsbewusste Presse ist ein wichtiger Bestandteil der Demokratie. Social Media hat zwei Drittel der Werbeeinnahmen der Presse geschluckt, ohne Recherchen zu liefern, sondern als reiner Echoraum von Klatsch, Gerüchten und teilweise giftigen Meinungen. Wohin das alles noch führt? Die Welt ist ein sehr unvorhersehbarer Ort geworden.

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