Avantgarde auf dem Tischtuch
Museum Villa Stuck: „Maß und Freiheit – Textilkunst des Jugendstils von Behrens bis Olbrich“
Der deutsche Ruf ist so tief gesunken, dass deutsch und geschmacklos fast identische Begriffe sind“, beklagte 1907 der Architekt und Mitbegründer des Deutschen Werkbundes, Hermann Muthesius in seinen Vorlesungen über das „moderne Kunstgewerbe“.
Inwieweit ausgerechnet Tischdecken, Servietten und andere „abgepasste Ware“ zum Propagandamittel für die Erneuerung der angewandten Kunst wurden, zeigt jetzt die Ausstellung „Maß und Freiheit – Textilkunst des Jugendstils von Behrens bis Olbrich“ in der Villa Stuck.
Hoffnung Hausfrau
Da setzten die Künster der Jahrhundertwende zur Verbesserung des allgemeinen Geschmacks tatsächlich große Hoffnung in die stilsichere Hausfrau aus dem gehobenen, „kulturell fortschrittsfreudigen“ Bürgertum, die Erzeugnisse des avancierten Kunstgewerbes in Form der Aussteuer mit in die Ehe brachte – und so auch den Gatten bekehrte.
Im Ateliertrakt der Villa Stuck kann man nun vor allem eine Reihe von kostbar wie Gemälde präsentierte und verheißungsvoll in Orange, Grün und Gold schimmernde Damast-Tafeltücher aus Leinen und Seide bewundern, die berühmte Gestalter wie Peter Behrens, Hans Christiansen, Otto Eckmann, Joseph Maria Olbrich und Richard Riemerschmid entwarfen.
Staunenswerte Vielfalt
Das Spektrum der Ornamentik ist dabei ziemlich breit: Während etwa Eckmann die Tafel mit verschlungen vegetabilen Ranken überzog, setzte Olbrich Akzente, die geometrische Strenge mit floralen Motiven verband. Dass der Gestaltungswillen in Richtung Gesamtkunstwerk tendierte, zeigen Adelbert Niemeyers Dickblattranken und Fruchtknollen, mit denen er 1908 sowohl ein Teegeschirr aus Porzellan als auch einen Satz Damast-Tischwäsche dekorierte.
Staunen macht dabei nicht nur die Vielfalt der Formen, die manchmal an Arabesken, ein andermal an Japonica erinnern. Es fasziniert auch die handwerkliche Präzision der fein abgestimmten Jacquard-Maschine, die die mehr und mehr komplexen Entwürfe der Meister ins Gewebe übertrug. Schön wäre es, wenn in der Schau auch die technische Seite ein wenig anschaulicher würde.
Roberta De Righi
Prinzregentenstraße 60, bis 30.5., Di – So 11 bis 18 Uhr; Katalog (Hirmer) 29.90 Euro
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