Aus der Zeit gefallen
Die zweite Musiktheater- Premiere mit „architektur des regens.“ von Klaus Lang auf der Biennale. Ein Verzicht auf Handlung, Psychologie und Entwicklung.
Wer vor Beginn im Foyer des Carl-Orff-Saals die Ohren aufsperrte, vernahm mehr als einmal die Drohung, nun ein Schläfchen halten zu wollen. Eine Flöte sang die Avantgarde-Fans mit vier lang gehaltenen Noten leise in den Schlummer. Streicher rauschten still, und auch die nach einiger Zeit in Männerkleidung einherschreitende Sopranistin störte die Ruhe kaum, als sie die Tonfolge der Flöte aufnahm.
Viel mehr geschah auch in den folgenden 90 Minuten nicht. Die Bühne blieb dunkel wie in einem Traum. Bisweilen erschienen drei Bässe in der Höhe und variierten die glöckchenverzierte und vom Marimbaphon gespielte Melodie. Gegen Ende setzt eine weiß gekleidete Tänzerin ein paar hektische Bewegungen gegen die musikalische Langsamkeit.
Die Partitur verbietet den Instrumentalisten und Sängern persönlichen Ausdruck. Klaus Langs „architektur des regens." verzichtet auf Handlung, Psychologie und Entwicklung. Die Textfragmente aus einem Nô-Drama von Zeami Motokiyo waren in in Silben zerlegt und transportierten keinen Sinn. Dass sich ein junger Städter mit einem Holzfäller über die Schönheit der Natur unterhält und eine japanische Göttin der Dichtkunst erscheint, war nur im Programmheft nachzulesen, weil sich Claudia Doderer im Geist der Musik auf stimmungsvolle Rätselbilder beschränkte.
Insofern wirkte die Aufführung restlos konsequent. Neu ist das alles nicht: Schon vor hundert Jahren entstanden symbolistische Einakter, die nichts als eine flüchtige Stimmung festhalten wollten. Seither ist die Verweigerung des Theaters auf der Bühne so alt wie nach alter Weise gemimter Seelenschmerz. Jenseits erleuchtete kein ästhetischer Funken die Finsternis.
Lang und Doderer wollen nichts aussagen. Die Leere gehörte an diesem Abend zum System. Weil die Musik viel gefälliger ist als Morton Feldmans geräuschhafter Minimalismus, wirkte die „architektur des regens." zuletzt so geschmäcklerisch und aus der Zeit gefallen wie die Kleinschreibung des Titels mit abschließendem Punkt.
Ob einen diese Klangmeditation anspricht, ist mehr als sonst eine Frage persönlicher Gestimmtheit. Lautes Schnarchen wurde in der zweiten Biennale-Uraufführung nicht vernommen, der Beifall wirkte allerdings schläfrig.
Robert Braunmüller
Letzte Aufführung Montag, 20 Uhr, im Carl-Orff-Saal des Kulturzentrums am Gasteig