Aus der Disco in den Wohnwagen

Puccinis Schmachtoper „La Boheme“, inszeniert von Balász Kovalik mit Studenten der Theaterakademie im Prinzregententheater
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Puccinis Schmachtoper „La Bohème“, inszeniert von Balász Kovalik mit Studenten der Theaterakademie im Prinzregententheater

Schon wieder Langhaarige in Schlaghosen, geblümte Hemden und die ganze Hässlichkeit der Siebziger. Zur Pause überkommt einen stark die Lust, aus dem Prinzregententheater zu flüchten. Denn alles sieht danach aus, als wolle der Regisseur Balázs Kovalik billig darauf hinaus, Puccini als sentimentalen Kitschonkel zu entlarven.

Aber gemach! Immerhin dirigiert Ulf Schirmer das hervorragende Rundfunkorchester deftig und unsentimental. Manches wird im Eifer des dramatischen Gefechts den jungen Sängern gegenüber unfreundlich laut. Myung-Joo Lee ist eine Mimí mit zarten Tönen, starker Präsenz und dramatischem Potenzial. Und nach der Pause wird deutlich, weshalb der Regisseur die melodramatischen Szenen in der Dachkammer zu Dreharbeiten zu einer kitschigen Telenovela ummodelte: Er will, wie Puccini, durch heitere Szenen den Kontrast zu den gefühlsbetonten Momenten schärfen.

Der zweite Teil macht die Inszenierung rund

Bei „O soave fanciulla“ sind die Lampen auf dem Set erloschen. Die verliebten Darsteller von Rodolfo und Mimí verschwinden im Wohnwagen. Die hart geschnittene Musik des zweiten Akts wirkt als Untermalung einer Broadway-Revue mit Weihnachtsmännern und Teufeln geschlossener als beim üblichen Chorgewusel vor dem Café Momus.

Der dritte Akt spielt bei Kovalik in der französischen Gegenwart eines Le-Pen-Plakats vor dem Eingang einer Disco, die von scharf charakterisierten Gestalten bevölkert wird. Rodolfo (Jun-Ho You) trennt sich fernmündlich von der im Telefonhäuschen zusammenbrechenden Mimí, während er bereits mit einer neuen Geliebten im Wohnwagen zusammenlebt.

Ungewöhnlich stark auch der Schluss: Nachdem Mimís Tod abgedreht ist, geht die Darstellerin davon. Ihr Kollege schreit ihr, auf einem Stuhl zusammenbrechend, seinen Schmerz hinterher. Wenn Kovalik im kommenden Februar die Uraufführung von Peter Eötvös’ Oper „Die Tragödie des Teufels“ im Nationaltheater inszeniert, könnte das höchst spannend werden.

Robert Braunmüller

Wieder am 19., 22. und 28. Juni im Prinzregententheater, Karten: Tel. 2185-2899

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