Auferstanden aus Ruinen

Pinakothek der Moderne: Am Donnerstag öffnet die fabelhafte Schau des Architekturmuseums zur Geschichte der Rekonstruktion
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Pinakothek der Moderne: Am Donnerstag öffnet die fabelhafte Schau des Architekturmuseums zur Geschichte der Rekonstruktion

Da kochen die Emotionen hoch. Auch wenn Architektur-Diskussionen in Deutschland sonst eher dezent geführt werden. Geht es aber um Rekonstruktionen – zuletzt war das Berliner Stadtschloss im Visier, dessen Wiederaufbau jetzt auf Eis liegt –, dann wird hitzig debattiert. Und mit allerlei Begriffen operiert, die selten einer genaueren Überprüfung standhalten. Anlass genug, das kontroverse Thema in einer Ausstellung aufzufächern, zu erhellen: Unter dem Titel „Geschichte der Rekonstruktion – Konstruktion der Geschichte“ zeigt das Architekturmuseum in der Pinakothek der Moderne sein bislang kühnstes und umfassendstes Projekt.

Was trieb die Menschen dazu, Tempel und Kirchen, Paläste und Schlösser, Burgen und Bürgerhäuser wieder aufzubauen? Nach Krieg und Zerstörung, nach Bränden oder bedingt durch die schlichte Vergänglichkeit des Materials. Und was gleich im ersten Raum dieses vielgliedrigen Unternehmens angenehm auffällt, ist die „neue Sachlichkeit“, der völlig entspannte, aber genauso sorgfältige Umgang mit der endlos zerredeten Materie. Es begann ja auch ganz ur-menschlich verständlich. Kultplätze, sakrale Orte, Wirkungs- und Sterbestätten von Heiligen wollte man erhalten oder wieder aufbauen, natürlich für die Ewigkeit. Wallfahrten inbegriffen.

Religion, Politik, Kommerz

Von der griechischen Antike aus entspinnt sich so ein vielgestaltiger Reigen bis in heutige Tage, da sich die im Krieg ausgebrannte Frauenkirche wieder in den Dresdner Himmel stemmt. Oder das 1996 in Brand gesteckte Teatro La Fenice jetzt wieder mit einer Überdosis Glanz Operngänger aus aller Welt nach bella Venezia zieht. Winfried Nerdinger und sein Team von der Technischen Universität München haben zusammen mit der ETH Zürich zehn zum Teil sehr unterschiedlich motivierte Bereiche der Rekonstruktion zusammengestellt. Von der genannten religiösen Kontinuität über nationale, politische, bildungsbürgerliche, identitätsstiftende bis hin zu heute auch gerne touristischen, respektive kommerziellen Beweggründen. Und durch Beispiele, die sich vom alle zwanzig Jahre neu errichteten Schrein im japanischen Ise übers Rubenshaus in Antwerpen bis zur Blockhütte des Schriftstellerphilosophen Henry Thoreau am Walden Pond in Massachusetts ziehen. Mit Modellen, Gemälden, Fotos, Plänen und sogar Animationen.

Tatsächlich erstaunt die Fülle der Rekonstruktionen (was hielt man nicht alles für „original“), auch die Selbstverständlichkeit, mit der dem kulturellen Gedächtnis über Jahrtausende auf die Sprünge geholfen wurde. Und man geht lässig gewappnet aus der Pinakothek. Gewappnet für sämtliche Stadtschloss-Diskussionen, ganz ohne Schaum vorm Mund.

Christa Sigg

Von 22. Juli bis 31. Oktober in der Pinakothek der Moderne, Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18, donnerstags bis 20 Uhr; Katalog: Winfried Nerdinger (Hrsg.), Prestel Verlag, 45 Euro

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