Arctic Monkeys: Von Sheffield nach Psychedelia
Das neue Album der Arctic Monkeys ist eine große Überraschung und von der ersten bis zur letzten Sekunde ein großes Hör-Abenteuer. Die Arctic Monkeys klingen jetzt tatsächlich amerikanischer, sixtiesmäßiger, psychedelischer.
Die Arctic Monkeys reifen in der kalifornischen Wüste zur großen Rockband Eigentlich konnte das gar nicht gut gehen: 2005/2006 waren die Arctic Monkeys die Sensation schlechthin, eine Teenie-Band aus dem britischen Sheffield, die ohne Plattenvertrag und nur übers Internet alle Rekorde schlug, die man die Beatles der Post-Punk-Generation nannte (und die, nebenbei bemerkt, in München früh vom Atomic Café entdeckt wurde und im Ramersdorfer Telstar-Studio von Christian Höck einen Song aufnahm).
So groß war die Hysterie um die Band, dass man auf den Absturz warten konnte. Ihr zweites Werk wurde eher mau und schien das zu bestätigen. Jetzt stellen sie ihr drittes Album „Humbug“ vor, aufgenommen in einem Studio in der kalifornischen Wüste, assistiert vom Queens-of-the-Stone-Age-Chef Josh Humme. Es ist eine große Überraschung und von der ersten bis zur letzten Sekunde ein großes Hör-Abenteuer. Zwar sind die hibbeligen Hochgeschwindigkeits-Songs über den Dancefloor und One-Night-Stands verschwunden. Die Arctic Monkeys klingen jetzt tatsächlich amerikanischer, sixtiesmäßiger, psychedelischer.
Die Gitarre stürzt sich auf die Wunderkiste der elektrischen Sounds vom Tremolo über den Flanger bis zum Wah-Wah, Alex Turner singt nun in verrätselten, geheimnisvollen Bilder, oft mit viel Hall wie einst Jim Morrison von den Doors. Das ganze Klangbild der Band ist neu: reifer, tiefgründiger – und doch immer druckvoll und heavy bis hin zu Anklängen an Black Sabbath. In der Wüste entdecken sie die Vielfalt und die Rätsel der Musik. Plötzlich steht da eine ganz große Rockband – nicht nur, weil die Haare länger geworden sind – und legt ein frühes „Exile On Main Street“ hin. Ein scharfer Wendepunkt, aber kein Ende.
Michael Grill
Arctic Monkeys: „Humbug“ (Domino Record