Antje Schomaker im Strom

Die Liedermacherin hat einige herzhafte Snacks zu bieten
von  Michael Stadler
Die Liedermacherin Antje Schomaker.
Die Liedermacherin Antje Schomaker. © Foto: Pablo Heimplatz/PGM

Die Begleiterin des Rezensenten mag ihren Ohren nicht trauen. "Will Sie Sex?!", fragt sie baff. Das Konzert von Antje Schomaker im Strom ist keine zwei Minuten alt, die vierköpfige Band legte wuchtig los, die Sängerin in der lindgrünen Satin-Hose hatte ihren strahlenden Auftritt. Und nein, das, was Schomaker da singt, ist der Titeltrack ihres neuen Albums "Snacks". Der Refrain lautet: "Ich will Snacks!"

Dass der Song tatsächlich eindeutig zweideutig ist, wird in weiteren Textzeilen spürbar - ja, Schomaker nimmt ihre Snacks manchmal "mit ins Bett, aha, ich nehm sie mir so, wie's mir schmeckt, jaja…". So verführerisch das klingt, so augenzwinkernd ist das wohl gleichzeitig gemeint. Einer auf sexy Oberfläche getrimmten Popwelt setzt die Hamburger Singer-Songwriterin einiges an geerdetem Charme entgegen, scheut sich auch nicht, bald mitten im Publikum aufzutauchen, um das Titellied ihres ersten Albums "Von Helden und Halunken" im grünen Lichte eines Leuchtgummibären an der Akustikgitarre zu singen.

"Die Zeit heilt einen Scheiß"

Schomaker hat ansteckend gute Laune. Ihre anfängliche Aufforderung ans Publikum, mit ihr zu feiern, wirkt überbordend authentisch und wird unterstützt von einem Band-Sound, der so knackig wie ein Snickers ist. Vielleicht rührt die Euphorie von einem Gefühl der Befreiung: Aus "strukturellen und rechtlichen Gründen" konnte Schomaker fast ein Jahr kein neues Material veröffentlichen. Nachdem sie ihr Label gewechselt hat, veröffentlichte sie im Herbst 2023 "Snacks" und ist nun wieder auf Tour.

Zudem hat sie ein paar private Krisen hinter sich gebracht, vor allem die toxische Beziehung zu einem Mann, die sie gleich in mehreren Songs verarbeitet hat: "Verschwendete Zeit" gehört mit seinen punkthaft pulsierenden Beats und glitzernden Eighties-Synthie-Vibes zu den Höhepunkten des Albums und bringt das Konzert als erste Zugabe erneut in Fahrt. Mit "Zeit heilt einen Scheiß" weist Schomaker all jene zurecht, die einen bei Trennungen mit guten Ratschlägen zukleistern. "Ich brauch' deine Weisheit nicht, die Zeit heilt 'n Scheiß für mich". Da singt auch das Publikum aus vollem Herzen mit.

Starke Motivationsspritzen

Dass ihre Mutter vor fünf Jahren fast an einem Aorta-Riss gestorben wäre, hat Schomaker zu einer musikalischen Liebeserklärung an die Mama inspiriert: "Wenn ich mal Kinder hab, will ich genauso sein wie du." Mit solchen Zeilen bringt sie ihre Gefühle direkt auf den Punkt, und das ist gut so. "Ich bin wichtig", ein Lied, dass Schomaker für die Kindermusikreihe "Unter meinem Bett" eingespielt hat, taugt als Motivationsspritze, nicht nur für die Kleinen, sondern auch für wesentlich ältere Semester - der Minderwertigkeitskomplex lauert ja heute an jeder Ecke. "Ich bin wichtig, und so, wie ich bin, bin ich richtig!" Das kann man sich selbst nicht oft genug sagen. Die Band schwingt dazu im Tango-Rhythmus.

Von diversen Krisen und Zumutungen lässt Schomaker sich nicht unterkriegen, in ihren Songs steckt der selbstbewusste Drive zur Selbstbestimmung. "Ich muss gar nichts" singt sie gegenüber einer Musikindustrie, die ihr ständig alles Mögliche vorschreiben will. "Auf Augenhöhe" ist der auch im Konzert entspannt groovende Aufruf, auf andere nicht herabzuschauen. Dabei ist wohl der herablassende Blick von Männern auf Frauen gemeint. Oder der Blick auf jüngere Generationen.

Schomaker holt jedenfalls die einnehmend furios performende Sängerin Luisa Kummerfeld der Vorband Kummerfeld noch einmal auf die Bühne, lässt sie alleine die Leadstimme singen, singt mit ihr gemeinsam. Ein schönes Zeichen und Bild der Solidarität in einem Konzert, das abwechslungsreich zwischen Indie-Rock und Pop-Ballade pendelt, Aufbruchstimmung inklusive. "Alles neu" von Peter Fox covert Schomaker mit ihrer Band so knallig, dass man am Ende selbst daran glaubt, dass Neuanfänge jederzeit möglich sind. Das Leben hat ja einige interessante Snacks zu bieten. Man muss nur zubeißen.

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