Anstoß für die Impro-EM

Spontane Torschüsse, heitere Fouls: Im Ampere wurde die EM des Improvisationstheaters eröffnet
von  Michael Stadler
Stimmungsvoller Auftakt der Impro-EM im Ampere.
Stimmungsvoller Auftakt der Impro-EM im Ampere. © Sara Kurig

Für einen Moment sieht es so aus, als ob die deutsche Mannschaft gegen die Engländer gewinnen könnte. 4:3 steht es, es sind nur noch wenige Minuten zu spielen, die Spannung auf dem Spielfeld steigt. Aber da improvisiert das Team von der Insel doch noch einen Volltreffer hin, kann ausgleichen und das Match endet mit einem gerechten Unentschieden. Großer Jubel dennoch, auf allen Seiten.

Mit dem ewigen Klassiker Deutschland gegen England fiel im Ampere der Startschuss für die Impro-EM, die bis zum Finale am 19. Mai andauern wird. Nein, hier spielt nicht pro Match eine National-Elf gegen eine andere, sondern es stehen sich weiblich-männlich zusammengewürfelte Trios gegenüber, die in der Regel vom Publikum Vorgaben bekommen - zum Beispiel einen Ort, eine Beziehung zwischen zwei Menschen, einen Titel - und dann eine Szene gemäß der Vorgabe aus dem Stegreif zaubern sollen.

Dabei liegen Fußballmetaphern nahe, spielen sich die Teams doch untereinander und gegenseitig die Bälle zu, es wird verbal gedribbelt, der Körpereinsatz ist oft hoch, weil die Bühne leer ist und alle Räume aus dem Nichts entworfen, alle Requisiten pantomimisch dargestellt werden wollen. Zündende Gags, berührende Momente kann man als Torerfolge verstehen, wobei es auch Fehlschüsse gibt und manches Eigentor geschossen wird, weil das Scheitern zum Improvisieren dazu gehört. Fehler ergeben sich beim spontanen Spiel nun mal schnell, Improvisationstheater bietet Entlastung vom Druck der Perfektion.

Zwei Jahre harter Arbeit

Wobei sie bei der Eröffnung schon beachtlich wohlgerundete Szenen aus dem Nu hinbekommen, die Trios aus Deutschland und England. Insgesamt spielen 18 Teams aus 18 Ländern bei der Impro-EM mit, das ganze Turnier ist Teil des Kunst- und Kulturprogramms zur Uefa Euro 2024, die am 14. Juni mit dem Spiel Deutschland gegen Schottland in der Allianz-Arena beginnen wird. Der gemeinnützige Verein "Improtheaterfestival München e.V." verantwortet die Organisation und Durchführung des Turniers, federführend sind Karin Ertl und Tobias Zettelmeier.

"Zwei Jahre Arbeit liegen hinter uns", sagt Karin Ertl bei der Begrüßung des Publikums im ausverkauften Saal und klingt stolz dabei. Ganz einfach war es wohl nicht, die Idee einer Impro-EM an den Mann zu bringen. "Die Veranstaltungsform passt nicht zu unseren Förderkriterien", resümiert der stellvertretende Kulturreferent Marek Wiechers bei seiner Rede im Ampere die erste Reaktion auf den Vorschlag. Aber letztlich kam das Kulturreferat mitsamt anderen Sponsoren und Unterstützern doch mit an Bord.

Gespielt wird auf Kunstrasen

Die Künstlerinnen und Künstler aus Europa haben die Möglichkeit, sich untereinander zu vernetzen, und bieten Workshops für alle Impro-Interessierten an; außerdem gibt es Shows für Schülerinnen und Schüler. Ein Spezialgast aus Argentinien ist auch dabei: Feña Ortalli tritt bei der Eröffnung als souveräner Schiedsrichter auf, der bei Fouls auch mal mit Sanktionen droht. Wenn beim zweiten Vorrunden-Spiel, Bulgarien gegen Portugal, zwei Frauen ungestört eine Szene spielen sollen und die Männer dennoch dazwischenfunken, verweist Ortalli kopfschüttelnd auf die gelbe und rote Karte in den Taschen seines schwarzen Trikots.

Insgesamt haben die Organisatoren das Turnier schön fußballnah ausgestattet: Auf den Bühnen des Festivals, zu dem neben dem Ampere der Silbersaal des Deutschen Theaters, das Einstein Kultur, der Saal X im HP8, das Münchner Theater für Kinder und das WERK7 theater im Werksviertel gehören, wird auf Kunstrasen gespielt. Die Teams treten in eigenen Trikots auf, schwarze Impro-EM-Flaggen werden heiter hin- und her geschwungen. Es gibt eine eigene, von Lukas Maier komponierte Impro-Hymne, die sich als beatsatter Euro-Trash fulminant ins Ohr spielt: "Everything will be alright - just improvise!"

Albärt, das Maskottchen

Sowieso, die Musik: Das Trio um Lukas Maier (am Keyboard), Adrian Klein (am Schlagzeug) und Sandra Rieger (an der Geige) setzt bei der Eröffnung gekonnt musikalische Stimmungen und puscht jedes improvisierte Lied vorwärts. Tobias Zettelmeier gibt vom Rand aus den bebrillten Schiedsrichter-DJ im grünen Glitzeroutfit, der mit seinen Songs den Anwesenden vor jeder Spielrunde fünfzehn Sekunden lang Partylaune einimpft. Das Turnier ist ein Fest, die Stimmung prächtig und solidarisch. Nach jeder Spielrunde darf das Publikum abstimmen, welches Team "am besten" improvisiert hat, aber letztlich spielt das eine untergeordnete Rolle: Beim Impro gewinnen alle. Dass Bulgarien an diesem Abend gegen Portugal siegt, wäre bei der Fußball-EM eine kleine Sensation; hier gibt es vorab keine Favoriten.

Noch ein weiterer besonderer Gast wackelte durch das Ampere: Albärt, das Maskottchen der Fußball-EM. Die Schwester von Karin Ertl steckte in dem riesigen Bärenkostüm. Karin Ertl selbst wird beim EM-Eröffnungsspiel Deutschland gegen Schottland am 14. Juni als Albärt die Fußballfans animieren. Ein paar lässige Albärt-Moves hat sie sich bereits überlegt. Den Rest wird sie sicherlich improvisieren.

Kartenreservierung und das gesamte Programm unter: improem.com

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