Anna Netrebko: Keine Auftritte in der Badewanne
Morgen singt Anna Netrebko auf dem Königsplatz. Vorher speist sie (vielleicht) eine halbe Ente mit Blaukraut und Knödel. Mit der AZ sprach sie über ihr Programm, den Sohn Tiago Aruã und die Stimmkrise ihres Kollegen Rolando Villazón.
Am Rande ihrer Auftritte als Mimì im Nationaltheater gewährte die Russin Audienzen im Salon eines Hotels an der Maximilianstraße. Erwin Schrott, ihr Gatte, servierte Mineralwasser und vertiefte sich anschließend in die Zeitung „El País“.
AZ: Frau Netrebko, wie lange bleiben Sie noch die Nummer eins?
ANNA NETREBKO: Bin ich das? Wer sagt so etwas? Ich kann gar nicht die Nummer eins sein, weil es so viele großartige Sänger gibt.
Wer ist Ihre persönliche Nummer eins?
Ich ich bewundere Angela Gheorghiu, Natale Dessay, Karita Mattila, Nina Stemme, Diana Damrau – lauter großartige Sopranistinnen mit sehr unterschiedlichem Repertoire und Image. Da kann es keine Nummer eins geben.
Hat die Schwangerschaft Ihre Stimme verändert?
Nicht nur die Stimme, auch meinen Körper! Beide haben an Fülle gewonnen. Die Zeit von Auftritten in der Badewanne ist vorbei. Ich nähere mich vorsichtig dramatischen Rollen. Bald versuche ich die Leonora in Verdis „Il trovatore“. Das ist eine normale Entwicklung, aber ich werde weiter Belcanto-Rollen wie die Julia in Bellinis „I Capuleti e i Montecchi“ singen. Das wird mein nächster Auftritt im Nationaltheater.
Wäre die Elsa in „Lohengrin“ etwas für Sie?
Ich liebe diese Rolle und Wagners Musik! Aber den Stil zu treffen und die Sprache zu lernen, wäre eine harte Arbeit.
Sie haben doch das Strauss-Lied „Cäcilie“ im Repertoire?
Ich verstehe die Worte, aber sie mir zu merken, fällt schwer. Es ist ein wunderbar für die Stimme komponiertes Stück. Auf dem Königsplatz singe ich es als Hommage an die Strauss-Stadt München.
Was bringen Sie noch mit?
Valery Gergiev, der mich früh gefördert hat, dirigiert das Orchester des Mariinsky-Theaters St. Petersburg. Es ist das beste russische Opernorchester. Daher singe ich mit Dmitri Hvorovstovsky das Finale aus Tschaikowskys „Eugen Onegin“ – eine wunderbare dramatische Szene. Nach der Pause gibt es einen Ausschnitt aus der weniger bekannten Tschaikowsky-Oper „Iolanta“, aber auch Puccinis „Un bel di vedremo“ aus der „Butterfly“. Lassen Sie sich überraschen! Am Ende singen wir das Duett aus Leoncavallos „I Pagliacci“.
Wie geht es Ihrem Bühnenpartner Rolando Villazón?
Wir Sänger sind gierige Leute. Ich meine damit nicht das Geld, sondern die Arbeit, neue Rollen. Manchmal können wir nicht widerstehen und denken, alles zu schaffen. Aber ich glaube, Rolando Villazón wird bald mit besserer Stimme ruhmreich zurückkehren. Ich wünsche es ihm jedenfalls.
Sind Sie in Kontakt?
Nein. Ich denke, er will derzeit allein sein. Das verstehe ich.
Wie vermeiden Sie selbst Stimmkrisen?
Ich mache mich rar und habe gute Ratgeber. Wenn der Terminplan steht, lasse ich mich nicht zu zusätzlichen Konzerten drängen, obwohl die Nachfrage groß ist.
Was machen Sie am Tag vor dem Auftritt am Königsplatz?
Solche Konzerte sind schwieriger als Opernauftritte. Ich brauche viel Ruhe. Weil ich empfindlich auf Hitze reagiere, gehe ich keinesfalls auf die Straße. Ich muss auf meine Stimme aufpassen.
Wie verbinden Sie das Reise-Leben einer Sängerin mit Ihrem Kind?
Das ist manchmal schwierg, weil auch mein Mann viele Engagements hat. Heute Abend reist er ab. Wir sehen uns dann einen Monat nicht. Unser Sohn Tiago Aruã bleibt bei mir. Die Trennung wird schwer für ihn: Er liebt seinen Vater über alles.
Was mögen Sie an München?
Eine wunderbare Stadt! Gestern war ich mit Tiago Aruã im Englischen Garten. Am meisten liebe ich aber das Essen: eine halbe Ente mit Blaukraut und einem Kartoffelknödel.
Robert Braunmüller
Nur die Augen könnten feucht werden
Das Konzert von Anna Netrebko und Dmitri Hvorostovsky am Königsplatz beginnt am Freitag um 20 Uhr. Restkarten von 50 bis 285 Euro (zzgl. Gebühren) ab 16.30 Uhr an der Abendkasse. Der Zugang ist an der Arcis- und der Luisenstraße möglich. Diese Straßen sowie die Briennerstraße sind gesperrt. Da in der Gegend auch an ganz normalen Tagen Parkplätze rar sind, empfiehlt sich die Anfahrt mit der U 2 (Königsplatz) oder U 1 (Stiglmaierplatz). Regencapes werden bei Bedarf verkauft. Die Mitnahme von Schirmen ist nicht verboten. Aller Voraussicht nach ist beides unnötig: Für Freitag kündigen die Wetterdienste einen trockenen Abend an.