Anleitung zum Glücklichsein: Wie wahrt man den Frieden in Beziehungen?

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Ein Paar kommt in die Praxis. Die Frau beginnt sofort zu klagen, dass er nie zuhöre, dass man ihm alles zehnmal sagen müsse, dass er erst nach Drohung bereit sei, seinen Anteil am Haushalt zu machen, er zeige ihr seine Liebe nicht, sie habe auch schon lange keine Blumen mehr bekommen und er antworte per whatsapp nur mit "ok" oder "ja, okay". Der Mann sagt nicht sofort etwas, ist eher zurückhaltend. Auf Nachfrage kommt dann zögerlich: "Ich kann es ihr nie Recht machen! Ich habe dann einfach keine Lust mehr, sie hat ja immer was zu meckern". Beide berichten, dass sie kaum noch Liebe spüren, nur noch genervt voneinander sind, sie streiten dauernd.
"Wie Frieden wahren?" Mit einfachen Formeln, einander einfach mehr zuzuhören oder doch zu versuchen friedlich miteinander zu sein, kommt man da nicht weiter. Das Problem sitzt viel tiefer. Wenn zwei Menschen zusammen kommen, dann haben wir mehrere Komponenten, die die Beziehung erschweren können.
- Zu geringe Kenntnis und Akzeptanz der Unterschiede von Frau und Mann.
- Schwierige Kindheit beider Partner, RE-Inszenierungen der Kindheit mit dem Partner
- Systemische Aspekte der Familie
- Verletzungen im Erwachsenenalter
Beziehungen leben: Die Eltern als Vorbilder
Beziehung lernen wir bei unseren Eltern. Wir schauen als Kinder, wie gehen unsere Eltern miteinander um. Und wir speichern dann in unseren neuronalen Landkarten ab, wie "die das machen". Mama rügt Papa, dass er wieder den Rasen nicht gemäht hat, wieder zu spät nach Hause gekommen ist, wieder den Hochzeitstag vergessen hat. Papa sagt vielleicht lange nichts, sitzt den Ärger aus und explodiert dann plötzlich. Dann ist Mama verletzt, sperrt sich in ihrem Zimmer ein und weint.
So funktioniert das Kinder-Ich
Um Frieden in der Partnerschaft zu erlangen, muss jeder von uns zuerst seinen Frieden in sich selbst finden. Der beginnt bei der eigenen Kindheit. Wenn wir zur Welt kommen, sind wir sozusagen vor allem im Gefühl und in der Bedürftigkeit. Wir zeigen alles ganz direkt und ohne Bewertung: "Ich habe Hunger. Jetzt. Sofort." "Mama, bitte spiel mit mir!" "Ich schreie, um auszudrücken: mach mir die Windel sauber!" Ich bin traurig, fröhlich, abenteuerlustig, ängstlich, wütend, eifersüchtig... Therapeutisch nennen wir das unser Kinder-Ich.
Deshalb bewerten wir unseren Partner
Dann begegnen wir den Bewertungen unserer Eltern und Erzieher. Und das kann je nach Ausprägung dieser Bewertungen zu unserer inneren sehr kritischen Stimme werden (unser sogenanntes Bewerter-Ich). Bewertungen wie: "Du musst immer freundlich sein! Du musst funktionieren! Werde endlich erwachsen! Du taugst ja zu gar nix! Aus Dir wird nie was! Du musst immer brav und lieb sein! Du bist zu dick! Du bist hässlich!" - werden später im eigenen Inneren wiederholt und als Vorlage genommen, um andere zu kritisieren. In der Beziehung zum Partner bewerten wir dann auch ihn.
In der Kindheit angestaute Wut entlädt sich am Partner
Psychotherapeuten sprechen dann von einer RE-Inszenierung der Kindheit. Wir suchen uns einen Partner, der wahrscheinlich irgendeinem Aspekt unserer Eltern ähnlich ist. Oft kommt es zum Konflikt, wenn das Bewerter-Ich des einen auf das Kinder-Ich des anderen losgeht. Das Kinder-Ich hat natürlich auch einiges zu bieten: Betteln, resignieren, manipulieren, fordern und drohen. Fühlen wir uns aber, wie als Kind manipuliert oder bedroht, machen wir zu, rebellieren und all die angestaute Wut aus der Kindheit entlädt sich an unserem Partner.
Wieviel Wut auf Mutter und Vater stecken noch in uns?
Ziel ist es, ein "gesundes Erwachsenen-Ich" zu entwickeln. Dies kann geschehen, indem wir an uns arbeiten, entsprechende Bücher lesen, Psychotherapie machen, um den Bewerter zu verkleinern, unser Kinder-Ich zu stärken und einen starken inneren "gesunden Erwachsenen" aufzubauen. Es geht nur, indem wir erst in unser Innerstes schauen. Wie Goethe sagt: "Ein jeder sieht, was er im Herzen trägt". Wir sehen im Anderen unsere abgelehnten Aspekte und Teile unserer Geschichte. Das heißt auf dem Weg zum Frieden mit dem Partner, den Kindern und der Welt, braucht es dringend, dass wir zuerst mit uns selbst beginnen. Was haben wir unterdrückt? Wieviel Wut auf Mutter und Vater stecken noch in uns? Wie echt sind wir wirklich, oder wollten wir einfach nur das liebe schöne brave Mädchen sein, der liebe Junge? Oder sind wir in der Rebellion der Pubertät stecken geblieben, grundsätzlich immer dagegen sein? Aber im Grunde steckt in uns die Sehnsucht nach dem Sein-Dürfen - wie Rilke sagt: "Tage, wenn sie scheinbar uns entgleiten. Gleiten leise doch in uns hinein. Und wir verwandeln alle Zeiten, denn wir sehnen uns zu sein."
Wir brauchen es, gesehen und geachtet zu werden in unserer Bedürftigkeit, unserer Sehnsucht nach Bindung, nach Lustbefriedigung und in unserem Bedürfnis nach Autonomie. Wir suchen im Partner unter Umständen die Eltern, die wir nicht gehabt haben. Das kann nicht gut gehen. Wir brauchen Selbstregulation, dass wir uns bremsen können, wenn es schwierig wird.

Was braucht es also, um zum Frieden mit unserem Partner zu kommen?
1. Die Kenntnis der Unterschiede von Frau und Mann.
Wir sind so verschieden. Vergessen wir nicht, wie wir sozialisiert wurden. Die Mädchen spielen meist Vater-Mutter-Kind und ihre Spiele sind sehr emotional ums Thema Beziehungen. Jungs wollen Helden sein, messen sich. Werden die Mädchen zu Frauen, malen sie sich oft aus, dass es so werden soll, wie im Film, der Prinz auf dem weißen Pferd, der stark und männlich ist, aber sie gleichzeitig auf Händen trägt.
Der Mann möchte für die Frau der Held sein und nicht von ihr "auf den Topf" gesetzt werden. Leider verhalten sich die Frauen oft wie Mütter, die Männer wie kleine Jungs ermahnen. Und die Männer verhalten sich manchmal wie kleine Jungs, die wie früher bei Mama, Dinge aufschieben und hoffen, dass "Mama" es am Ende selbst macht.
Viele Frauen wollen vor allem emotional verstanden werden, sie wollen Sätze hören wie: "Ich verstehe Dich so gut. Und es tut mir leid, dass Du in der Arbeit gemobbt wirst. Komm mal her, Schatz, erzähl mir alles, ich tröste Dich". Das kollidiert mit den oft eher rational orientierten Männern, die meist zielorientiert sind und das Weinen oder Lamentieren der Frauen nur schwer aushalten. Wenn dann der Bewerter des Mannes zum Kind in der Frau spricht: "Du musst Dich halt mal wehren und nicht immer so ein ängstliches Schaf sein" - kann das gut gemeint sein, wird aber regelmäßig von Frauen so gedeutet: "Er versteht mich einfach nicht. Wenn er mich wirklich lieben würde, dann müsste er mich doch erst mal trösten". Die meisten Männer gehen an Konflikte völlig anders heran, sie mögen keine Endlos-Diskussionen.
Wichtig ist, den anderen in seiner totalen Andersartigkeit zu akzeptieren und ihn nicht verändern zu wollen. Du bist anders und das ist gut so! Dazu dürfen wir Kompromisse aushandeln (der eine kann gut kochen, der andere gut die Steuererklärung machen). Wir Frauen dürfen aufhören, aus unseren Männern eine gute Frau machen zu wollen.
Wenn wir verstehen, dass unser Partner anders ist, weil er anders ist und dass er Dinge tut oder nicht tut, weil er anders ist und dies nichts mit uns zu tun hat, kann schon viel Spannung heraus genommen werden.
2. Wenn es zum Streit kommt, ist es wichtig, zu erkennen, dass meist unsere sogenannten "inneren Kinder" streiten. Kleine Minenfelder aus der Kindheit werden getriggert, dann explodieren wir.
Zum einen kann man versuchen, den Streit auf einer Ebene "nicht ganz so ernst zu nehmen", aus einer erhöhten Perspektive zu schauen, wie alt die inneren Kinder sind, die da gerade streiten, wie attraktiv der Andere gerade im Streit ist (viele Paare haben Sex nach dem Streit), die Liebe darunter weiter zu spüren. Wir können versuchen, unseren "gesunden Erwachsenen" zu aktivieren.
Wenn einer der beiden es schafft, zu verstehen, dass der Andere gerade getriggert wurde und er in einen "alten Film geraten ist", dann versteht er, dass es nicht um ihn geht, sondern um eine alte Wunde aus der Kindheit. Manchmal hilft es nur, dass wir den Streit unterbrechen. Denn wenn wir beim Streit im Gehirn ins limbische System marschieren, unsere Amygdala aktiviert ist, dann gibt es nur noch: Kampf, Flucht oder Erstarrung. Wir brauchen unser höheres Bewusstsein, das die Situation unterbricht, dem Körper hilft, das Adrenalin abzubauen (einmal um den Block joggen), bevor wir weiterreden, falls wir überhaupt weiter reden wollen.
Manchmal lasse ich Paare einen Streit nachspielen. Im ersten Durchgang im Original und dann aus dem inneren Kind heraus mit klaren Ich-Botschaften. Er sagte dann zum Beispiel: "Ich bin manchmal so sauer auf Dich, weil ich mich nicht geliebt fühle, wenn du immer was an mir auszusetzen hast. Ich möchte doch Dein Held sein, ich möchte, dass Du zufrieden mit mir bist, bitte schimpf mich nicht. Ich sehne mich danach, dass Du mich begehrst." Und sie antwortet vielleicht: "Ich fühle mich so allein, ich brauche viele Umarmungen, um mich geliebt zu fühlen. Wenn Du schreist, bekomme ich Angst, ich möchte doch nur verstanden und getröstet werden, ich muss mein Gefühl ausdrücken dürfen. Bitte halt mich ganz fest". Das bedeutet zum Kern des Problems zu gehen. Wenn wir so miteinander sprechen, ist es unwahrscheinlich, dass wir streiten.
3. Systemische Aspekte spielen ebenfalls in unsere Beziehungen hinein. Der Mann, der schon wie der Großvater seine Frau betrogen hat und viele Kinder von verschiedenen Frauen hat, merkt gar nicht, dass er innerlich mit dem Großvater verbunden ist. Auch das kann man sich therapeutisch anschauen.
4. Gegenwärtige Verletzungen können dazu führen, dass wir innerlich ein Minuskonto aufbauen und wenn das Fass dann voll ist, trennen wir uns. Viele Paare kommen erst zur Therapie, wenn das Fass schon übervoll ist. Wenn die Verletzungen zu groß sind, kann es sein, dass wir uns nicht mehr öffnen und so stark resigniert haben, dass wir nicht verzeihen wollen oder können. Ein Paartherapeut kann in diesem Zustand nur schwer helfen.
Damit Frieden gewahrt bleibt, braucht es also auf den Punkt gebracht:
- Tiefe Liebe und Empathie für sich selbst und den Partner.
- Die Erkenntnis, das Wissen und die Akzeptanz der Andersartigkeit des Anderen.
- Viel Selbsterkenntnis, Selbstregulation und die Arbeit am eigenen inneren Kinder-Ich.
- Ein Scheckheft mit vielen "ich verzeihe Dir" Schecks.
- Die Erkenntnis, dass der Andere mir Gutes will, aber manchmal in alte Filme rutscht, die mit mir nichts zu tun haben. Die Erkenntnis, dass ich umgekehrt ihm helfen kann, da heraus zu kommen.
- Bewunderung für den Anderen erhalten.
- Übernahme von Verantwortung fürs eigene Wohlbefinden.
- Viel Humor.
- Dem Anderen die Betriebsanleitung für sich selbst geben, sich gegenseitig zeigen, wie man tickt. 10.) Klar und deutlich äußern, was man - nicht nur, aber auch im Moment - braucht.