Angekommen in der Wirklichkeit
Der Minister hat gesprochen: Eine neuer Konzertsaal für München scheint derzeit chancenlos
Es war eine schöne Vision: Ein neuer Konzertsaal für München, architektonisch anspruchsvoll und mit perfekter Akustik. Ein Aushängeschild für die Musikstadt mit ihren drei Dirigenten von Weltrang. Außerdem wäre endlich der marode Marstall renoviert worden, ein Schandfleck im Herzen Münchens.
Doch die Vision scheint zerstoben. Eine Pressemitteilung des Kunstministers Wolfgang Heubisch brachte vorige Woche das Aus: Der japanische Akustik-Papst Yasuhisa Toyota hatte die Pläne von Axel Schultes unter die Lupe genommen. Als Sieger eines 2007 veranstalteten Ideenwettbewerbs wollte der Architekt hinter die alte Hofreitschule einen modernen Saal mit ähnlichen Maßen setzen. Der historische Bau hätte als Foyer gedient.
Weder der Marstall noch der geplante Neubau eignen sich wegen der Enge für einen Konzertsaal von Weltrang, so der Akustiker. Für Heubisch ist seitdem klar: „Ein Konzertsaal, der höchsten Anforderungen entspricht, lässt sich im oder am Marstallgebäude nicht realisieren.“ Er widersprach damit Ministerpräsident Seehofer, der früher ein Bekenntnis für den Saal abgelegt hatte.
Der Stadt war eine Konkurrenz zum Gasteig stets ein Dorn im Auge: „Die Bedenken, die Heubisch und Finanzminister Georg Fahrenschon von Anfang an geäußert haben, sind durch das Gutachten eindrucksvoll bestätigt worden und könnten jederzeit durch Untersuchungen der Wirtschaftlichkeit eines weiteren Konzertsaales bekräftigt werden“, jubelte Oberbürgermeister Christian Ude.
Beim Rundfunk wird wegen der GEZ-Reform das Geld knapp
Treibende Kraft hinter dem 120 Millionen teuren Marstall-Projekt war Kurt Faltlhauser. Sein Verein „Konzertsaal Marstall“ und der Bayerische Rundfunk sollten je 40 Millionen beisteuern, der Freistaat den Rest. Angesichts explodierender Kosten bei Hamburgs Elbphilharmonie wirkte dies wie eine Milchmädchenrechnung. Der frühere CSU-Finanzminister gilt wegen der Verwicklung ins Landesbank-Desaster als angeschlagen. Zudem war nie klar, in welchem Umfang sich der BR engagieren wollte und konnte.
Hörfunkdirektor Johannes Grotzky hatte jüngst von massiven Einnahmeverlusten gesprochen, die dem Sender drohten. Wie der designierte BR-Intendant Ulrich Wilhelm zu dem Projekt steht, weiß auch niemand. Falls ein Neubau auf längere Sicht nicht realisierbar ist, bliebe die Möglichkeit einer gemeinsamen Nutzung der Philharmonie durch die Münchner Philharmoniker und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Zur Zeit ist ein Gutachten in Arbeit, das prüfen soll, ob eine gleichberechtigte Unterbringung möglich ist.
Der Kongresssaal tat's ja auch
Spekuliert wird auch über einen anderen Standort, etwa im Finanzgarten neben dem Hofgarten. Heubisch will mögliche Alternativen jedenfalls in „Gesprächen mit allen Beteiligten“ ausloten. Möglicherweise ändert sich an der Konzertsaalsituation in München erst einmal gar nichts.
Ob das so schlimm wäre? Immerhin hatte München bislang offenbar keine Probleme, hochrangige Orchesterchefs und Solisten an Land zu ziehen. Selbst vor dem Bau der Philharmonie glückten Leonard Bernstein oder Sergiu Celibidache im hundsmiserablen Kongresssaal des Deutschen Museums musikalische Sternstunden.
Georg Etscheit