Gastbeitrag

André Heller wird 75: Satire-Sammler Meisi und Helmut Grill erinnern sich

Die Satire-Sammler Meisi und Helmut Grill erinnern sich an die Anfänge von André Heller mit dem Varieté "Flic Flac"und seine kreativen Raubzüge dafür auch in München.
von  Meisi und Helmut Grill
Der Wiener Künstler, Entertainer und Liedermacher, Impressario André Heller als Museumswärter in den 70er-jahren.
Der Wiener Künstler, Entertainer und Liedermacher, Impressario André Heller als Museumswärter in den 70er-jahren. © Imago / United Archives

München - Meisi Grill hatte ihren Laden Etcetera in einer Seitenstraße der Maximilanstaße bereits einige Jahre, als André Heller hereinschneite. An die Folgen erinnert sich das Galeristenehepaar noch heute. Dabei kam es durchaus auch zu Verstimmungen, die allerdings längst vergessen sind.

André Heller nannte Meisi Grill eine "anmutige Luftgeistin"

Jetzt gratulieren die beiden André Heller mit dieser Episode zum 75. Geburtstag (22. März). Immerhin hatte Heller umgekehrt Meisi Grill 2017 so nett aus Marrakesch geschrieben: "Die Meisi ist ein Zauberwesen aus dem Märchenschnürboden des österreichischen Biedermeiershakespeares Raimund. Eine anmutige Luftgeistin, Dresseurin von Genien, Schutzengelin... Wer sie nicht mag, hat kein Talent für Zuneigung."

MEISI GRILL: Eines Tages betrat Herr Heller den Laden und meinte, er suche jemanden, der seine poetische "Flic-Flac"-Varieté-Idee sponsert - mit 60.000 Mark, damit es in München aufgeführt werden kann. Ich habe gefragt: "Warum kommen Sie zu mir? Ich bin eine kleine Händlerin!" "Na na, des wird schon!", sagte Heller, "Haben Sie nicht einen reichen Onkel, der uns helfen kann?" - und setzte auf mich, weil kein Veranstalter kommerziell an Hellers "Triumph der Phantasie über die Banalität" glaubte und auch Banken nervös ihre Kreditkassen zu hielten.

André Heller: Phantast mit Ideen, Großtalent und Freund

HELMUT GRILL: Ich war erst auch dagegen, weil ich dachte, der Heller ist doch ein Phantast mit seinen Ideen, und danach: Die Sintflut! Aber vielleicht ist man da auch zu streng bei so einem Großtalent, der ja später unser Freund wurde.

50 Jahre lang sammelte der Werbegrafiker, Verleger und Galerist Helmut Grill satirische Kunst zusammen mit seiner Frau Meisi. Nach seiner Galerie in der Villa Stuck eröffneten sie 1968 die Kunst- und Kuriositätenhandlung Etcetera. Neben Janosch, Zimnick, Loriot, Flora und Ungerer waren in ihrem Portfolio der "Galerie der Zeichner" natürlich auch Arbeiten von André Heller.
50 Jahre lang sammelte der Werbegrafiker, Verleger und Galerist Helmut Grill satirische Kunst zusammen mit seiner Frau Meisi. Nach seiner Galerie in der Villa Stuck eröffneten sie 1968 die Kunst- und Kuriositätenhandlung Etcetera. Neben Janosch, Zimnick, Loriot, Flora und Ungerer waren in ihrem Portfolio der "Galerie der Zeichner" natürlich auch Arbeiten von André Heller. © Karikaturmuseum Krems

MEISI: Ich bin dann dennoch losgezogen - und hatte die Summe bald zusammen, alles per Handschlag, unter anderen von Uschi Glas, einem Diamantenhändler, einem Dachdecker, dem Rechtsanwalt Peter Langer und dem Bauunternehmer Joseph Gabriel. Die 60.000 habe ich dann dem Veranstalter Marcel Avram von Mama Concerts in die Hand gedrückt.

Als Meisi sich um Maske und Kostüm kümmerte

HELMUT: Wir haben dann überlegt, wie wir die riskante Sponsorensumme wieder reinbekommen könnten: mit einem Buch - und so sicherten wir uns die Bildrechte an der Show.

MEISI: Wir haben den großen, kapriziösen Fotokünstler Stefan Moses dafür gewonnen, ihn in unseren kleinen Bus verfrachtet und sind nach Wien-Hietzing gefahren - zu einer Probebühne, die ursprünglich von Adolf Loos als edle Irrenanstalt gebaut war. Von dort ging's weiter in das "Flic Flac" Kreativbüro, um alles zu besprechen. Am Veranstaltungsort, dem Wiener Secessions-Gebäude, sollte dann fotografiert werden. Stefan Moses spannte dort seine weißen Hintergrundtücher auf und wollte wegen dem Licht mittags fotografieren. Aber die ganzen Schausteller, Animier-Damen und Varieté-Künstler traten ja erst abends auf, so dass niemand von Maske und Kostüm da war. Und so bin ich in Aktion getreten - schminken, hindrapieren, anziehen und spezielles Frisurenstyling: auch bei der schillerndsten Person, die als "lasterhafte Tugend" auftrat.

HELMUT: Heller brachte noch immer irgendwelche Texte für das Buch an, und ich habe gedacht: Das ist alles chaotisch, wirr, improvisiert - und wird nichts! Aber wir haben das Buch schließlich im Selbstverlag herausgebracht und im Etcetera angeboten. Es hat dann werbewirksam den internationalen Kodak-Fotobuchpreis des Jahres 1982 gewonnen, was wir da aber natürlich noch nicht wussten.

Hellers unvergesslicher Besuch bei Fuchsbergers "Heut' abend"

MEISI: Was ich aber merkte, war, dass die Leute zwar viele Karten für die "Flic Flac"-Vorstellungen bei uns kauften, aber kaum das Buch. Denn der Veranstalter hatte selbst noch ein Programmheft herausgebracht, das ein Drittel kostete und unser Buch fast ruinierte.

HELMUT: Aber Heller versprach sofort, unser Buch zu promoten und war - damit in der Hand - in der Sendung "Heut' abend" bei Blacky Fuchsberger...

MEISI: …wo auch ich im weißen Kleid im Publikum saß und aufgeregt auf "unser" Buch wartete. Nur kam plötzlich viel zu früh der schon betrunkene Harald Juhnke auf die Bühne und pöbelte Heller wegen politischer Äußerungen über Bayern an und verschwand, obwohl er später noch weiterer "Gast" sein sollte.

HELMUT: Jedenfalls vergaß Heller danach beim Blättern mit Fuchsberger im "Flic Flac"-Buch leider uns als Laden und Verlag zu erwähnen.

Meisi Grill: "Ich kam mir vor wie die Mutter Courage"

MEISI: "Flic-Flac" wurde ein überwältigender Erfolg in München. Hellers Feldzug gegen die "Generäle der Banalität und Missionare des Alltäglichen" war geglückt. Und ich bin dann nach drei Monaten zu Marcel Avram hin und habe gesagt: "Ich habe das Geld zusammenbekommen, mich eingesetzt, und das Ganze ist im Circus Krone doch fantastisch gelaufen. Könnte ich jetzt das Geld zurückhaben?" Und was macht er: Lanciert in der Abendzeitung einen Artikel nach dem Motto "Meisi Grill lässt Tiere verhungern!" und erklärt: "Hättest Du einen Vertrag mit mir, müsste ich jetzt zahlen. So aber…"

HELMUT: All das kann man eigentlich nur mit Humor und Stoizismus ertragen, aber beides haben wir.

MEISI: Und den Geldgebern habe ich selbst das Geld zurückgezahlt, was nur ging, weil der befreundete Bauunternehmer auf seine 10.000 verzichtet hat. Ich bin noch nach Hamburg mit der Show mitgezogen. Ich kam mir vor wie die Mutter Courage.

HELMUT: Noch in den Münchner Tagen hatten wir die "Flic Flac"-Künstler in unser Haus nach Ammerland eingeladen, die Uschi Glas war auch gekommen und konnte alles in ihrer wunderbaren Natürlichkeit nicht fassen: Es wurde gegessen, getrunken, gesungen und Menschliches mehr - und nicht nur die schönen Revue-Mädchen sind dann fast nackt zum See runter gegangen zum Baden. Auch die "Nattern-Äbtissin" und der "Dukatenmuskulant" waren dabei. Die Truppe und das Dorf Ammerland, das war eine Schau!

Jedenfalls wünschen wir dem guten André wirklich alles Liebe und Gute!

Meisi & Helmut

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