Amüsante Varianten des Mythos

Dieter Dorn inszenierte im Cuvilliés-Theater „Idomeneus“ von Schimmelpfennig
von  Abendzeitung

Dieter Dorn inszenierte im Cuvilliés-Theater „Idomeneus“ von Schimmelpfennig

Das Vorspiel wird Nachspiel“, befiehlt der Haushofmeister in der „Ariadne auf Naxos“. Zwar verzichtete Erwin Huber, der Hausherr des Cuvilliés-Theaters, anders als Wiens reichster Mann auf die schlussendliche Vermischung von „Idomeneo“ und „Idomeneus“. Das Fernsehen aber machte die Mozart-Voraufführung zur Premiere und Roland Schimmelpfennigs Prolog wurde so zum postmodernen Postludium.

Die 160 Zuschauer sitzen auf einer Tribüne mit Rokoko-Blick auf den renovierten Brettern des Cuvilliés-Theaters. Heutige Menschen kommen ins Parkett, Stefan Hunstein wagt einen Blick in Kent Naganos Partitur und prüft seine Erinnerung an den kretischen König, der für die Rettung aus dem Sturm das erste Lebewesen opfern will, das ihm an Land begegnet.

Schimmelpfennig spielt Varianten des Mythos durch und erfindet neue dazu. Manche werden Leitmotive, wie der von seinen Gefährten nach der Opferung seines Sohns gelynchte König oder der von einem antiken Quatschkopf erdachte Nauplios, den die Trojakrieger beleidigten und der aus Rache nun ihre daheim gebliebenen Frauen verführt.

Die Präsenz von Dieter Dorns Ensemble trägt die trotz chorischen Sprechens leichtfüßige Stunde. Sie wird durch Spielszenen aufgelockert, in denen sich Hunstein und Sibylle Canonica das Schweigen zwischen Idomeneus und seiner Gattin nach zehn Jahren Krieg vorstellen.

Wie in Dorns Mozart-Inszenierung fährt zuletzt der Orchestergraben hoch. Aber Schimmelpfennigs lyrisches Programmheft ohne Musik endet unversöhnlich mit der Einsamkeit des alten Idomeneo, der am Leben hängt und ratlos auf die Wellen blickt.

In der Premiere folgte noch ein Satyrspiel: Thomas Langhoff überreichte Dorn die „Büchse der Pandora“, eine von Karl Kraus nach einer „Lulu“-Aufführung gestiftete Tabatiere, die ähnlich dem Iffland-Ring unter regieführenden Intendanten vererbt wird. Boleslaw Barlog hatte die testamentarische Übergabe an Dorn vergessen. Langhoff holte sie nach. Beim Zigarillo-Raucher ist die Tabaksdose samt Feuerzeug in besten Händen.

Robert Braunmüller

Montag, 19., 21., 23. Juni, 20 Uhr, Tel. 21851940

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