Am Rande des Abgrunds
Der Holocaust-Überlebende Max Mannheimer, hat gemeinsam mit der Journalistin Marie-Luise von der Leyen seine bewegenden Erinnerungen unter dem Titel „Drei Leben“ publiziert.
Am 1. Februar 1943, kurz vor seinem 23. Geburtstag endet das erste Leben des Max Mannheimer an der Todesrampe von Auschwitz-Birkenau. Sein Vater, seine Mutter, seine junge Schwester und seine Ehefrau werden von den drei Mannheimer-Söhnen getrennt – und bald ermordet. Am 30. April 1945 kurz vor dem Tutzinger Bahnhof beginnt Max Mannheimers drittes Leben. Amerikanische Soldaten öffnen den Zug, in dem der ausgemergelte Mannheimer mit vielen anderen KZ-Überlebenden transportiert wird. Mannheimer ist frei, auch sein jüngerer Bruder Edi hat den Holocaust überlebt.
Über die 26 Monate voller Todesangst, Demütigung, Krankheit, unmenschlicher Behandlung in verscheidenen Konzentrations- und Arbeitslagern hat Mannheimer erst lange geschwiegen und nicht einmal mit seinen Kindern geredet. „Ich kann es, nach so vielen Jahren, noch immer nicht beschreiben: Dieses Gefühl des totalen Ausgeliefertseins am Rande des Abgrunds“, schreibt Mannheimer. Aber als seine psychischen Probleme auch Jahre nach dem Befreiung nicht besser werden, beginnt er sich seinen Erinnerungen zu stellen.
Als Zeitzeuge leistet er noch im hohen Alter Aufklärungsarbeit: tausenden von Schülern hat er in Vorträgen über die Nazi-Gräuel aufgeklärt, 2009 kam die Dokumentation „Der weiße Rabe“ über Max Mannheimer in die Kinos.
Nun hat er hat er in Zusammenarbeit mit Marie-Luise von der Leyen seine Erinnerungen verfasst: „Drei Leben“ ist ein ungemein bewegendes Geschichtsbuch, das man jedem Jugendlichen dringend als Schullektüre ans Herz legen möchte.
Mannheimer erzählt von der glücklichen Kindheit und Jugend im tschechischen Neutitschein. Er ist begeisterter Fußballer und ein gewitzter Charmeur. Nach dem Machtantritt der Nazis in Deutschland ändert sich bald die Stimmung gegen die jüdischen Mitbürger. Einige fliehen, Mannheimer senior aber, ein erfolgreicher Kaufmann, erkennt den Ernst der Lage nicht vollständig.
Mannheimer ist ein geborener Erzähler, ein besonders liebevoller dazu. Den Glauben an Gott hat er im KZ eingebüßt, seine grundsätzliche positive Haltung zu den Menschen nicht. „Ich habe keinen Hass. Er ist meinem Wesen fremd“, schreibt er. Und das ist nach der Lektüre der rund 80 Seiten, die in diesem Buch seine detaillierten KZ-Schilderung umfasst, schon eine ungeheure Lebensleistung.
Selbstverständlich aber wollten er und sein Bruder Edi das Land der Täter nie wieder betreten. Zurück in Tschechien aber verliebte sich Max Mannheimer ausgerechnet in eine Sudetendeutsche – eine Tochter aus einer sozialdemokratischen Familie, die Juden versteckt hatte. Und so landete Mannheimer schon bald in München.
Max Mannheimer stellt „Drei Leben“ (dtv, 218 Seiten, 14,90 Euro) am Donnerstag, den 13.12.2012, um 19.30 Uhr im Literaturhaus vor)