Als wäre es gestern
„Autumn Leaves“ und der Blues: Eric Clapton lässt sich von den Erinnerungen durch sein delikates neues Album führen
Man kennt den Song, der hier ausgegraben wird: „That’s No Way To Get Along“. Ein Junge, der es in der Welt vergeigt hat, kehrt heim an Mutters Tisch. Der, wenn der Blues zu rollen beginnt, mittlerweile recht entspannte Clapton, hat bei diesem Stück seinen alten Freund und Meister gefunden, der die Verse als lässigstes Echo wiederholt: J. J. Cale.
Man kennt diesen Song so ähnlich. Als „Prodigal Son“ auf dem Beggars-Banquet-Album der Rolling Stones, geschrieben von einem Reverend Robert Wilkins. Bei der ersten Pressung des Albums hatten die Stones diesen Song noch rotzfrech sich selber zugeschrieben, wohl hoffend, dass der Reverend schon länger seinem Gott persönlich vorsang. Tat er aber nicht. Der Holy Blues, der die Geschichte des verlorenen Sohnes nacherzählt, ist aber nur eine Seite. Als jener Wilkins noch nicht dem Glauben ergeben war, da schrieb er die Version die Clapton hier wiederbelebt.
Clapton kann nicht abgeschnitten von der Bluestradition Amerikas leben, und es ist der Blick in die Vergangenheit, der dem britischen Blues von Claptons Mitgliedschaft bei John Mayall in den 60ern bis in die Solotage Kraft gibt. „Clapton“ heißt sein neues Album, und so unprätentiös wie sein Titel, so bescheiden überzeugend ist es geworden.
Einfach kommen lassen
Das Konzept ist einfach und unwiederholbar, fast scheut man sich, die Banalität zu kolportieren: Clapton habe es einfach kommen lassen, wie es kam, sich an Jazz-Nummern seiner Kindheit erinnert, Lieblingsbluesnummern sowieso und noch zwei neue Stücke beigefügt, eines davon unter Beteiligung von Clapton geschrieben mit seinem Co-Produzenten und Co-Gitarristen Doyle Bramhall II. Fertig. Erst wer durch die Lupe blickt, erkennt, wie delikat am Bekannten vorbei ausgewählt wurde.
Clapton, das war auch bei seinen letzten Konzerten mit Steve Winwood zu fühlen, strebt nach dem Einfachsten, weil es genug Hochgeschwindigkeitsgitarristen gibt, aber kaum welche, die ein Blues-Lick zum Sprechen bringen.
Jim Keltner sitzt am Schlagzeug, Willie Weeks spielt Bass und Walt Richmond die Hammond. So fährt man los mit „Travelin’ Alone“, einer Nummer von Melvin ,Lil Son’ Jackson. Einem geisterhaft abwesenden Blues, erstmals veröffentlicht Anfang der 50er.
Auch mal albern
Bei dieser Erinnerungsarbeit erlebt man plötzlich einen richtig albernen Clapton „My Very Good Friend The Milkman“ kennt man von Fats Waller. Clapton darf hier zum Swing mit leichten New Orleans Anklängen zeigen, wie man die Frauen zur Heirat bringt. Stilistisch ähnlich: „When Somebody Thinks You’re Wonderful“ – Clapton legt sich übermütig in die Kurven. Dieser leichtsinnige Frühjazz hat das Zeug, für Momente vom Blues zu erlösen.
Und – seine Verbeugung vor des Teufels liebstem Blueser Robert Johnson in Ehren – Clapton ist ein Interpret, dem es bekommt, wenn er sich zerstreut. Dass bei „Diamonds Made From Rain“, ein neuer Song, den Clapton mit seiner Ex-Freundin Sheryl Crow singt, die Melodie einen Moment zu poppig geraten ist, fällt nicht weiter ins Gewicht. Es endet mit „Autumn Leaves“ – mehr Jazz-Standard geht schwer. Ganz geht Clapton hier in seiner Stimme, in der verblüffenden Qualität ihrer Phrasierungen auf. Und dann gönnt er sich ein letztes Solo. In sich und über seiner Gitarre versunken.
Christian Jooß
Eric Clapton: Clapton (Reprise Records / Warner)
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