Als Neuerer unterschätzt

Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks öffnet die Programme seiner Konzerte zunehmend für die Musik des 20. Jahrhunderts. Dabei entstehen erstaunliche Querverbindungen zwischen Romantik und Moderne
von  Abendzeitung

Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks öffnet die Programme seiner Konzerte zunehmend für die Musik des 20. Jahrhunderts. Dabei entstehen erstaunliche Querverbindungen zwischen Romantik und Moderne

Auch Tschaikowsky war Avantgardist. Deutlich wird das, wenn zur Schärfung der Ohren vorher Alban Berg und Matthias Pintscher gespielt werden. Dann fallen die Klangexperimente des Russen erst richtig auf: Streicher sägen extrem laut, aber mit Dämpfer. Zum schrillen Forte gezwungene Bläser erzeugen eine gepresste Fahlkeit, die mit Paukenschlegeln geschlagene Große Trommel sorgt für samtige Düsternis.

Dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks gelang im Herkulessaal eine Ehrenrettung: Die „Manfred-Symphonie“ hat es schwer, weil die ihr zugrunde liegende Dichtung von Lord Byron nicht mehr zum Bildungskanon gehört und das Erlösungsfinale mit Orgelkitsch recht albern daherkommt.

Hirn statt Herz - aber es ist gut so

Der energische Dirigent Vladimir Jurowski dirigierte diesen raren Tschaikowsky mit mehr Hirn als Herz. Der Weltschmerz stellt sich ohnehin von alleine ein. Es tat wohl, diesen als Neuerer unterschätzten Komponisten einmal als Suchenden vorgeführt zu bekommen. Ein paar Unschärfen spielten da wirklich keine Rolle.

Auch die Drei Orchesterstücken von Alban Berg gelangen gut: Mit klarem Schlag sorgte Jurowski bei dieser oft zu pauschal gespielten Musik für eine Deutlichkeit. Der finale Hammerschlag wäre allerdings trockener und noch endgültiger denkbar. Davor mäanderte das klanglich reizvolle „towards Osiris“ von Matthias Pintscher auf ein überraschendes Schlagzeugsolo zu.

Ein paar Abonnenten wünschten Pintscher samt Alban Berg in die musica viva zum Teufel. Aber Gewöhnung und vielleicht auch mehr Vermittlung wird hier für offenere Ohren sorgen. Man muss es nur wollen und dran bleiben.

Robert Braunmüller

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