Alpha-Männchen-Kampf

Alles schon gesehen: Dieses Gefühl vermittelt Teil Zwei der „Chroniken von Narnia“.
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Alles schon gesehen: Dieses Gefühl vermittelt Teil Zwei der „Chroniken von Narnia“.

Vielleicht bilden schon die Ausgangspunkte der Fortsetzung der „Chroniken von Narnia: Prinz Kaspian" das Problem: Den Wandschrank, durch den die vier Pevensie-Geschwister in kindlicher Fluchtfantasie aus den Verwerfungen des Zweiten-Weltkriegs-England in die surreale Glitzereiswelt Narnias gelangten, gibt es nicht mehr.

So ist auch der Überraschungseffekt gering, wenn jetzt – zwei Jahre später – die vier durch die Londoner U-Bahnstation Strand am Trafalgar Square wieder als junge rettende Hochkönige nach Narnia zurückkehren und statt in eine Märchenwinterwelt in ein Neuschwanstein-Kitschmittelalter eintreten, mischmasch-bevölkert von bekannt unoriginellen nordischen Zwergen, antiken Zentauren und Minotauren sowie sprechenden Wonderland-Tieren wie einem Mäuse-Robinhood-Ritter. Aber Wesen, Zeit und Raum waren in „Herr der Ringe" schon viel aufregender zu erleben.

Auch die Weiße Hexe des ersten Teils ist tot. Sie hatte noch als Märchenwesen – von Tilda Swinton gefährlich verführerischer gespielt als alle anderen Disney-Feen zusammen – echten, wenn auch kalten Sex versprüht. Jetzt aber herrscht eine geradezu sterile Keuschheit in „Narnia 2“.

Kampf um die Alpha-Männchen-Position

Denn die Chance einer spannenden Psychologie des Erwachsenwerdens der älteren Geschwister (William Moseley als Peter, Anna Popplewell als Susan) wurde nicht genutzt. Einzig der neue Schönlingsheld, Prinz Kaspian (Ben Barnes) stiftet einen Minifunken Erotik, indem er die pubertierende Jungfrau Susan sanft entflammt und so des großen Bruders Schutzinstinkte auslöst und zu einem halbstarken Kampf um die Alpha-Männchen-Position anstachelt.

In diesem Führungschaos gehen Schlachten der Narnia-Fabelwesen gegen die bösen Adams-Söhne, uns Menschen, blutig verloren. Aber auch diesmal hilft Aslan, der pathetisch-messianische Opfertod-Überlöwe. Der auf die Frage, warum er erst so spät rettend eingreift, pseudophilosophisch aufgeladene, sinnfreie Phrasen von sich gibt, so dass man als Zuschauer peinlich berührt ist: „Nichts geschieht zwei Mal auf die selbe Weise.“

Alles schon einmal gesehen?

Dabei hat man genau in diesem Film das Gefühl, alles schon einmal gesehen zu haben, weil die Handlung so konventionell und vorhersehbar erzählt wird. Auch viele abgedroschene Pathosgesten und Actionsequenzen ermöglichen keine individuelle Tiefe der Figuren. So kann selbst die aufwändigste Tricktechnik kaum die Einfallslosigkeit der Erzählung überdecken. Extrem störend – zumindest in der Synchronisation – ist auch der künstliche Hispano-Italo-Akzent der feindlichen Menschen, wo wieder der welsche Südländer den Bösewicht (Sergio Castellito) geben muss.

So behält nach über 50 Jahren der „Herr der Ringe“-Professor Tolkien recht, dessen Freundschaft mit dem Oxford-Kollegen C. S. Lewis über dessen „Chroniken von Narnia“ zerbrach. Tolkien warf ihm Mut- und Fantasielosigkeit vor, weil Lewis nur ein konventonelles Kinderfantasie-Megamärchen geschaffen hatte. Unvorstellbare 475 Millionen Dollar hat der erste „Narnia"-Film eingespielt, 200 Millionen der zweite Teil gekostet, drei weitere stehen aus. Dem Zuschauer bleibt nur die Hoffnung auf mehr Mut und Fantasie.

Adrian Prechtel

R & B. Andrew Adamson K: K. W. Lindenlaub (USA, 144 Min.)

Kino: Cadillac & Veranda, Forum, Mathäser, MaxX, Münchner Freiheit, Royal, Cinema in OF

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