Alles was Leben heißt
Er machte Kinoträume wahr. Ein Hedonist und kämpferisch-kritischer Zeitzeuge zugleich, geliebt, bewundert. Am Montag ist Oscar-Regisseur Sydney Pollack mit 73 Jahren in seinem Haus in Pacific Palisades, Kalifornien, an einem Krebsleiden gestorben.
Er war Hollywoods ironischer Intellektueller, der das Kino mit anspruchsvoller Unterhaltung und unangestrengt-politischer Aufklärung bereicherte. Ein Hedonist und kämpferisch-kritischer Zeitzeuge zugleich, geliebt, bewundert – und in erzkonservativen Kreisen schon mal gefürchtet. Am Montag ist der amerikanische Oscar-Regisseur („Jenseits von Afrika“), Schauspieler und Produzent Sydney Pollack mit 73 Jahren in seinem Haus in Pacific Palisades, Kalifornien, an einem Krebsleiden gestorben.
„Sydney hat die Welt ein bisschen besser gemacht, die Filme ein bisschen besser und sogar das Dinner ein bisschen besser“, sagte George Clooney im Sinne vieler Star-Kollegen am Montag. „Er wird schrecklich vermisst werden.“ In Tony Gilroys Politthriller „Michael Clayton“ war Pollack in unseren Kinos ab Februar noch als Anwalts-Chef an der Seite von Titelheld Clooney zu sehen. Und in dem aktuellen US-Komödienhit „Verliebt in die Braut“ mit Patrick Dempsey und Michelle Monaghan spielt Pollack eine kleine, aber feine Rolle.
Ein intelligenter Unterhalter, der zum Nachdenken anregte
2004 erwirkte Pollack eine Dreherlaubnis im Gebäude der Vereinten Nationen in New York, 2005 kam „Die Dolmetscherin“ (mit Nicole Kidman, Sean Penn) um US-Verwicklungen in ein Mordkomplott in Afrika in unsere Kinos. Wie sich das Politthriller-Genre seit seinem Film „Die drei Tage des Condor“ (1975, einer von sieben mit Robert Redford) verändert habe, kommentierte Pollack im AZ-Interview: „Das Amerika der 70er Jahre war von Paranoia gegenüber politischen Einrichtungen getränkt. Ich glaube nach wie vor, dass Worte über Gewalt siegen können, mag aber keine Filme, die mir eine Lehre erteilen wollen. Als Zuschauer will ich intelligent unterhalten und dann zum Nachdenken angeregt werden.“
Ein Credo seit seinen Anfängen als Filmemacher. Denn Pollack, am 1. Juli 1934 in Indiana als Sohn eines russischstämmigen Zahnarztes geboren, floh schon mit 17 aus der Provinz nach New York – und sah im Kino eine Chance, „alles, was Leben heißt“ zu erfahren und auszudrücken. Sein Lebensthema waren konsequenzreiche Begegnungen von Menschen verschiedener Geschlechter, Kulturen, Rassen – mit Witz, Verve, klugem Ernst und Suspense aufbereitet. Pures Kino eben, quer durch alle Genres.
Als „instinktiver Autodidakt“ erspürte er sozialkritische Entwicklungen
Aus New York, wo er auch fürs Fernsehen und den Broadway arbeitete, holte John Frankenheimer den 21-jährigen Pollack als Dialogregisseur nach Hollywood. Burt Lancaster wurde zum Förderer. Pollacks Spielfilmdebüt war „Stimme am Telefon“ (1965, mit Sidney Poitier, Anne Bancroft), der erste internationale Erfolg „Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss“ (1970) über eine brutale Unterhaltungs-Show. Pollack erspürte sozialkritische Entwicklungen, lernte das Filmhandwerk als „instinktiver Autodidakt“, ließ sich seit den 70er Jahren vom europäischen Kino, der Nouvelle Vague inspirieren, brachte intellektuelle Eleganz in energetisches US-Erzählkino ein, auch als Produzent.
In dem Kassenhit „Tootsie“ (1982) geriet Dustin Hoffman als arbeitsloser Schauspieler in Frauenkleidung in groteske Abenteuer. Der größte Erfolg kam 1986 mit „Jenseits von Afrika“: Für die Tanja-Blixen-Adaption mit Meryl Streep und Robert Redford gab es sieben Oscars, auch für die Regie. Pollack war ein Liebling von Hollywoodstars wie Redford, Robert Mitchum, Al Pacino, Harrison Ford. Und selbst Kollegen wie Stanley Kubrik („Eyes Wide Shut“) holten ihn gerne als Schauspieler. Mit Ehefrau Claire hatte Pollack zwei Töchter und einen Sohn, der 1993 bei einem Flugzeugabsturz starb. Das war das größte Unglück im Leben eines erfüllten Künstlers.
Angie Dullinger