Allein im Parkhaus
Auf dem obersten Geschoss des Parkhauses an der Hildegardstraße tut sich Seltsames: Aus einem alten Audi klettert ein bärtiger Mann in hellem Anzug. Er redet, heftig gestikulierend, mit nicht Anwesenden oder sich selbst. Sein Publikum sitzt gegenüber auf dem Dach des neuen Kammerspiel-Anbaus. Ihm wird das Selbstgespräch des offensichtlich bis zum Lebensüberdruss emotional aufgewühlten Mannes in Kopfhörer gefunkt.
Es ist Material aus dem Dramenfragment „Empedokles” von Friedrich Hölderlin, das Karl Wokalek für seine Inszenierung „Dir hat der Schmerz den Geist entzündet, Armer” verwendete. Es ist ein Streitgespräch zwischen dem Philosophen, dem Seher Manes und der Bevölkerung der sizilianischen Stadt Agrigent. Kristof von Boven spielt die Dialoge, ohne die unterschiedlichen Sprecher deutlich zu machen, als Monolog eines Einsamen, der letzte Worte an eine untergehende Gesellschaft richtet. Den Tod des Empedokles, der sich einer Legende nach in den Ätna stürzte, schließt Wokalek mit der Selbstverbrennung eines Tunesiers im „Arabischen Frühling” kurz.
Diese Information erschließt sich allerdings nur aus dem Theaterzettel. Wer nicht Altphilologe, Hölderlin-Kenner oder zumindest gründlich vorbereitet ist, sitzt dem Zusammendenken von altgriechischer Philosophie, deutscher Frühromantik und der politischen Gegenwart Nordafrikas eher ratlos gegenüber.
Doch die räumliche Ferne vom Geschehen bei gleichzeitiger akustischer Intimität, das Beobachten eines verzweifelten Alleinseins an einem urbanen, aber menschenleeren Ort, der vom alltäglichen Großstadt-Gebrause umtönt ist, machen die 40 Minuten Hölderlin über den Dächern der Altstadt in jedem Falle zu einer exklusiven München-Erfahrung.
Kammerspiele, 11., 12. Juli, 19.30 Uhr, Tel. 23 39 66 00
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