Alle Macht den Bühnenarbeitern!
Schorsch Kameruns „Konzert zur Revolution“ in den Kammerspielen
War einmal ein Revoluzzer, im Zivilstand Lampenputzer.“ Dieses hellsichtige Spottgedicht widmete Erich Mühsam 1907 der deutschen Sozialdemokratie – und kämpfte doch bis zu seiner Ermordung im KZ für die proletarische Revolution. Einen Hauch seiner Ironie hätte man Schorsch Kameruns „Konzert zur Revolution“ in den Kammerspielen gewünscht: Es ist humorfrei, mit Pathos und Bedeutsamkeit aufgeladen, plakativ und kaum unterhaltsam. Dennoch gab’s wohlwollenden Uraufführungs-Applaus für den gut gemeinten, aber schlecht durchdachten Aufruf zum Umbruch.
Oberflächliches Antippen von Inhalten
Mit Texten der politischen Dichter der Münchner Räterepublik von 1919 will Regisseur Kamerun die Verhältnisse damals untersuchen: Oskar Maria Graf, Ernst Toller, Kurt Tucholsky, Ret Marut, Erich Mühsam und Kurt Eisner kommen zu Wort, unterlegt mit Musik, die Carl Oesterhelt der klassischen Moderne entlehnt hat und die das Revolutionsorchester München fidelt. Etwas gemeinsam aufbauen will Kamerun in 80 Minuten – nämlich das Bühnenbild. Doch die Schufterei überlässt er den Bühnentechnikern (alle Macht den Arbeitern!), damit der Attac-Chor einen Monte Verità erklimmen kann.
Kamerun bedient Klischees: Revolution machen Josef Bierbichler, Wiebke Puls, Steven Scharf und Kamerun (mit Erich-Mühsam-Bart) am Biertisch beim Trinken und Rauchen. Im unübersichtlichen Bühnengewusel samt Videos beeindruckt nur Bierbichler mit eindringlichem Gesang. Der Anspruch, etwas zu erklären, versandet im oberflächlichen Antippen von Inhalten.
Zum Schluss hat sich Kamerun als Wanderprediger im härenen Gewand wie der Waldmensch Öff Öff auf dem Marienplatz inszeniert, aber kein Passant ließ sich von seinem billigen Büßer-Karneval provozieren. Hätte er doch lieber Lampen geputzt, vielleicht wäre uns dann ein Licht aufgegangen.
Gabriella Lorenz
Kammerspiele, 28. Oktober, 2., 9., 18., 24. November, 20 Uhr, Tel.23396600