Alkoholwerbung im TV: Brauchtum oder Gefahr?

Die Branche ist nervös. Werbeausgaben von 500 Millionen Euro sind in Gefahr. Wenn es nach der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Sabine Bätzing (SPD), geht, soll Werbung von Bier im Fernsehen und Sport stark eingeschränkt werden. Im Raum steht gar ein komplettes Verbot.
von  Abendzeitung

Die Branche ist nervös. Werbeausgaben von 500 Millionen Euro sind in Gefahr. Wenn es nach der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Sabine Bätzing (SPD), geht, soll Werbung von Bier im Fernsehen und Sport stark eingeschränkt werden. Im Raum steht gar ein komplettes Verbot.

Bätzing will Alkoholwerbung in Fernsehen und Kino vor 20 Uhr verbieten, insbesondere in Verbindung mit Sportsendungen. „Auf längere Sicht sollte Alkoholwerbung ganz verbannt und Sponsoringmaßnahmen der Alkoholindustrie vollkommen unterbunden werden“, heißt es in ihrem „Nationalen Aktionsprogramm“. Ziel der Werbung und des Sponsoring sei es, Alkoholkonsum als Normalität darzustellen. Kinder und Jugendliche ließen sich laut Bätzing besonders leicht davon beeinflussen. Am 15. September wird im Gesundheitsministerium diskutiert.

„Hier wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet“, warnt der bayerische Verbraucherschutzminister Otmar Bernhard. „Da wird selbst ein Traditionsgetränk wie Bier mit anderem hochprozentigen Alkohol in einen Topf geworfen und verteufelt“, sagt er der AZ. „Natürlich unterstützen wir ein abgestimmtes Programm gegen Alkoholmissbrauch. Aber Bätzings Vorschläge gehen zu weit.“

Im vergangenen Jahr wurden mehr als 496 Millionen Euro für Alkoholwerbung ausgegeben, der überwiegende Teil, nämlich rund 360 Millionen, floss dabei in Bierwerbung. „Für uns ist das bayerische Bier nicht nur ein Getränk, sondern neben einem Wirtschaftsfaktor vor allem ein Stück Brauchtum und Originalität“, sagt Bernhard. Von den rund 1300 Brauereien in Deutschland befinden sich 620 in Bayern. „Fast die Hälfte, nämlich 300, sind in Franken.“

Ein Sponsoring-Verbot von Sportveranstaltungen hält der CSU-Politiker für fatal. Nicht nur der Bundesliga würde eine hohe Summe verloren gehen, „mindestens 20 Millionen Euro“ laut DFL-Geschäftsführer Christian Seifert. „Sponsoring ist notwendig. Oft sind gerade kleine Vereine auf dem Land auf die Unterstützung durch die ortsansässige Brauerei angewiesen“, sagt Bernhard. „Allerdings darf die Alkoholwerbung nicht speziell an Jugendliche gerichtet sein.“

Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft findet deutlichere Worte: „Die Verantwortlichen in der Politik sollten endlich anfangen, sich mit den tatsächlichen Ursachen schädlichen Alkoholkonsums auseinanderzusetzen“, sagt ein Sprecher. Bätzings Vorschlag sei „Placebo-Gesundheitspolitik“.

Bernhard setzt auf Prävention statt Verbote. „Wir haben eine Reihe von Präventionsmaßnahmen ins Leben gerufen", sagt er. „ Denn die Zahl der Jugendlichen, die mit Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert werden, hat sich seit dem Jahr 2000 verdoppelt.“ Mit dem Projekt „HaLT!“ kümmern sich Eltern, Ärzte und das Jugendamt gemeinsam um solche Problemfälle. „Die bestehenden Gesetze und Verordnungen reichen aber aus. Wir wollen keine zusätzlichen Regelungen“, sagt Bernhard.

Dass Sportler für Bier werben, findet Bernhard in Ordnung. „Es kommt aber auch hier darauf an, welche Zielgruppe angesprochen wird.“ Jeder, der solch’ eine Werbung macht, sollte sich seiner Verantwortung als Vorbild bewusst sein, sagt Bernhard. „Aber es spricht doch nichts gegen eine kühle Halbe im Biergarten.“

Angelika Kahl

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