Aliens, Go Home!
Befreiungsschlag vom Fernseh-Vorbild: Chris Carter erfindet die „Akte X“ völlig neu
7Was macht man, wenn dem eigenen Fernseh- „Kind“ keine Geheimnisse mehr zu entlocken sind und selbst die verrücktesten Fans sich entnervt abwenden? Der einstmals als „TV-Messias“ verschrieene „Akte X“-Erfinder Chris Carter zog 2002 den Schlussstrich und legte die X-Akten ad acta.
Doch mit keinem seiner Nachfolge-Projekte war Carter erfolgreich. Es blieb ihm nur die Reaktivierung seiner Mystery-Serie übrig. Unter größter Geheimhaltung drehte er „Akte X – Jenseits der Wahrheit“. Carter ignoriert darin alles, was die Serie einst auszeichnete, und versucht stattdessen mit beeindruckender Konsequenz eine filmische Stunde Null zu erreichen.
FBI-Agentin Monica Bannan (Xantha Radley) ist spurlos verschwunden, und das FBI unter Chef-Ermittlerin Whitney (Amanda Peet) tappt bei der Tätersuche im Dunklen. Da taucht Pater Joseph Crissman (Billy Connolly) auf und faselt etwas von unheilvollen Visionen über eine Entführung von Bannen. Um seine Glaubwürdigkeit zu prüfen, versucht Whitney über Ex-Agentin Dana Scully (Gillian Anderson) an den Mystery-Experten Fox Mulder (David Duchovny) heranzukommen. Der Spezialist für Übersinnliches ist sechs Jahre nach seinem unrühmlichen Ausscheiden beim FBI untergetaucht. Das FBI will alle Vorwürfe gegen ihn fallen lassen, wenn er ihnen in dem verzwickten Fall hilft. Mulder willigt ein und lässt sich – im Gegensatz zur skeptischen Scully – von Crissmans Visionen überzeugen. Alle Spuren führen zu einem brutalen Organhändlerring. Doch da verschwindet urplötzlich eine zweite Frau und auch Pater Crissman scheint noch ein Geheimnis zu verbergen.
Wer in den 90er Jahren gebannt die Serie verfolgte, wird sich bei Chris Carters „Akte X“-Film wundern. Von Aliens, Regierungsverschwörungen und hitzigen Konflikten der beiden Ermittler fehlt jede Spur. In düsterer Winteratmosphäre erzählt Carter routiniert seine Serienkillergeschichte. Zwischen dem überzeugend agierenden Duo Anderson/Duchovny sprühen keine Funken mehr – sie sind müde geworden und flüchten sich in eine seltsam sterile Beziehung.
Carter verzichtet auf spektakuläre Actionszenen und lässt auch den Thrillerplot um russische Organhändler links liegen. Vielmehr stellt er eine Kirchenschelte in den Mittelpunkt; beklagt diffus den Umgang mit pädophilen Priestern und wagt sich in Scullys Ärztekampf um einen todgeweihten Jungen an ein kühnes Plädoyer für die Stammzellenforschung. Damit glückt Carter zwar die endgültige Abkehr vom „Akte X“-Mysterienspiel, vielversprechend wirkt seine realistische Neuausrichtung aber nicht. Florian Koch
Kino: Cincinnati, Lepold,
Mathäser, MaxX, Royal, Cinema und Museum Lichtspiele in OV
R: Chris Carter B: Chris Carter,
Frank Spotnitz (USA, 105 Min.)
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- FBI