Alice Sara Ott mit den Philharmonikern im Gasteig
Die junge Frau ist zart, ihr Klavierton gewaltig. Scheinbar mühelos donnert Alice Sara Ott die Akkorde gegen das Orchester. Dann, wenn die Rivalen schweigen, lässt sie das unbegleitete Solo am Beginn mit Pedal-Nachhall noch gewaltiger erscheinen, als es ohnehin ist.
Bei vielen Pianisten erschöpft sich Tschaikowskys erstes Klavierkonzert in der Tasten-Löwennummer. Im ersten und letzten Satz gibt die Münchnerin dem Reißer, was des Reißers ist. Aber Alice Sara Ott kann mehr: Sie bringt außer dem rasenden Überschwang auch die vernachlässigte Grazie zum Vorschein. Wenn nur ein Bläsersolo zu begleiten ist, spielt sie sich nicht in den Vordergrund. Sie reagiert wach auf die Münchner Philharmoniker, die sich unter Thomas Hengelbrock nicht im Dauerdröhnen erschöpfen. Die sorgfältige Begleitung machte das Tschaikowsky-Glück dieses Vormittags vollkommen.
Mit einem Chopin-Walzer gab die 20-Jährige einen Vorgeschmack auf ihre im Januar erscheinende Platte. Umrahmt wurde dieses Ereignis von Mozarts Symphonie KV 318, energisch und dennoch charmant dargeboten im historisch informierten Stil. Nach der Pause beschränkte sich der Dirigent bei Béla Bartóks „Konzert für Orchester“ leider aufs Moderieren. Das bei genauerer Beachtung aller Vorschriften verhalten düstere Stück verwandelte sich in hübsche neoklassizistische Spielmusik. Das Blech protzte, viele Details wirkten nachlässig hingewischt. Die Aufführung war kein direktes Unglück, aber sie blieb unterhalb der Möglichkeiten der Musik und ihrer Interpreten.
Robert Braunmüller