Alexander Krist begeistert mit Zauber-Show 2.0

Alexander Krist präsentiert seine neue Show im Kristelli Theater
von  Michael Stadler
Da strickt der Meister was zusammen: Alexander Krist.
Da strickt der Meister was zusammen: Alexander Krist. © Dieter Lukas

Zauberei ist ähnlich wie Kochen eine Verwandlungskunst, bei der vor allem Objekte und Körper die Zutaten sind. Aber auch klassische Vorstellungen von Raum und Zeit, ja, sogar ganze Lebenseinstellungen können zeitweise oder dauerhaft transformiert werden. Oder mit den Worten von Alexander Krist: "Zauberkunst ist der Kontrast zwischen einem Anfangszustand und einem Endzustand."

Dass er ein Meister der Metamorphose ist, stellt Krist in seiner neuen Show erneut unter Beweis: im Kleinen wie im Großen - sei es, dass er im Nu einen weichen, heiter hüpfenden Flummi in ein hartes, zerbrechliches Ei verwandelt oder seine Assistentin mit Hilfe einer Art Zaubermaltafel verschwinden lässt. Da wischt er auf einer Zeichnung einzelne Körperteile weg, um im Innern einer Box, in der seine Gehilfin steckt, zu überprüfen, ob sich da die entsprechenden Parts aus Fleisch und Blut verflüchtigt haben. Tatsächlich: Sie sind weg!

Bald ist die Zeichnung leergefegt und statt der Assistentin nur noch Luft in der Box. Ach, könnte man so vielleicht auch lästige Arbeitskolleginnen und -kollegen loswerden?

Was auf der Bühne im Kristelli Theater alles an zauberhaften Dingen passiert, würde man gerne in seinen Alltag übertragen können. Wer hätte etwa nicht gerne die Fähigkeit, die nächsten Lottozahlen vorherzusagen? Oder sich von einem Stuhl einfach mal wegzubeamen, um andernorts wieder aufzutauchen? Krist kann das alles, man beneidet ihn regelrecht dafür, auch um die Verwirklichung seines Lebenstraums: ein Profi-Magier zu sein, sogar ein eigenes Zelt als Aufführungsort zu haben!

Bei allem Glück, das er sich selbst erarbeitet hat, ist Krist ein sympathischer Motivator, ermuntert sein Publikum dazu, die eigenen Lebenswünsche nicht an sich vorbeirauschen zu lassen, sondern sie zu verwirklichen. Das hat was Amerikanisches, auch in seiner Professionalität.

Neben der virtuosen Beherrschung seiner Illusionsmittel verfügt Krist über den spontanen Witz eines Standup-Comedians, der aus dem Moment heraus, im Kontakt mit dem Publikum, charmante Pointen entwickelt. Eine Zuschauerin mit japanischem Namen gehört bei der Samstagsvorstellung zu jenen, die Krist zum Mitmachen animiert. Sie können ja super Deutsch reden, lobt der Zauberer. Sie auch!, retourniert sie.

Das Show-Update schwelgt wie die vorherige Version in süßer Nostalgie. Die Achtziger-Jahre haben es Alexander Krist angetan, was nicht wundert, war die Welt da doch noch gefühlswärmer, wunderbarer, vielleicht auch unschuldiger als das durchdigitalisierte Heute. Statt auf Zaubermaltafeln blicken die Kids heute auf ihre iPads, statt TV-Sendungen wie "Herzblatt", die Krist in seiner Show zitiert, fangen die Streamingdienste und Sozialen Medien die Aufmerksamkeit der User ein.

Mit einem speziell wirkenden Smartphone wird auch bei Krist ein Film mit dem Publikum gedreht. Dank QR-Code und Email ist das Werk später für alle abrufbar und dient als Beweis dafür, dass Krist offenbar die Zukunft vorhersagen kann. Was er dabei erzeugt, ist ebenfalls total retro und vom Aussterben bedroht: kindliches Staunen.


Krists Show führt mitunter in seine eigene Vergangenheit zurück, in eine Zeit, als in "Yps"-Heftchen kleine Fensterrahmen lagen, deren Plexiglas magischerweise durchbohrbar war. Wo der kleine Krist einst selbst noch rätselte, wie das funktioniert, hat der große Krist jetzt einen wesentlich größeren, dem Showrahmen entsprechenden Fensterrahmen auf der Bühne zur Verfügung und fädelt behände eine harte Stricknadel mitsamt Faden durch das teilweise bedeckte Fensterglas durch.

Was glashart ist, kann Krist durchbrechen, selbst einen majestätisch großen Spiegel, durch den er von hinten seine Hand streckt, während auf der Soundspur Michael Jacksons "Man in the Mirror" für Eighties-Vibes sorgt.

Sowieso, Krists Hände: Sie spielen, wie bei wohl jedem Magier, eine Hauptrolle, wobei es schon besonders heiter-skurril ist, wenn da nur Krists Hand irgendwo herausragt und an einem Zauberwürfel herumzwirbelt, bis jede Seite nur eine Farbe hat. Die Hände, die (flexiblen) Körper, von Krist und seinem Team - je offensiver sie die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, desto stärker beschleicht einen das Gefühl, dass man gerade abgelenkt wird. Zauberei ist ja auch eine Kunst der Ablenkung: vom Wesentlichen, das dem manipulierten Blick entgeht, vom Alltag, der eben nicht immer zauberhaft ist.

Die Zeitreise, die Alexander Krist im Geiste der Filmtrilogie "Zurück in die Zukunft" entwickelt hat, bietet Fluchtwege nach vorne und in ein Gestern an, als Showmaster noch bedenkenlos Glitzeranzüge trugen und der gestreckte Daumen ironiefrei von der Freude über eine gelungene Aktion kündete. Yes, es hat geklappt!

Über die Achtziger hinaus reichen die Assoziationen zurück, wenn Krist sich auf einer Bank mitsamt Körperabdeckung so zusammenzieht, dass sich seine Hände und auffällig (zur Ablenkung?) rot besockten Füße unheimlich nähern. Der Grusel mittelalterlicher Streckbanken, ins Gegenteil verkehrt.


"World's Greatest Magic 2.0" nennt sich das Show-Update, der Größenwahnsinn im Titel ist erhalten geblieben und erweist sich als völlig berechtigt. Zwei Publikums-Typen gibt es, so Krist: Die einen, die einfach nur die Show genießen wollen. Und die anderen, die ständig rätseln, wie das denn nun funktioniert. Bei Krist darf man rätseln und genießen, ja, man darf sogar berührt sein. Denn wenn zum großen Finale sechs aus dem Publikum auf der Bühne sitzen und es neben den Lottozahlen um ihre Lebensträume geht, stellt sich ein ganz eigener, gefühlvoller Zauber ein, der keiner Tricks bedarf.

Eine Zuschauerin, 34 Jahre alt, hat da auf ihren Zettel geschrieben, dass sie sich eine von Humor und gegenseitiger Aufmerksamkeit geprägte Liebesbeziehung wünscht. Ja, wer wünscht sich das nicht? Für die sichere Liebesanbahnung hat Alexander Krist noch keinen effektiven Trick entdeckt, das dürfte noch Jahre, wenn nicht ewig dauern. Aber mit seiner auch in diesem Moment aufmunternden, euphorischen Art lässt er jeden Zweifel, dass dieser Wunsch sich einmal erfüllen könnte, verschwinden.

"The World's Greatest Magic 2.0": Kristelli Theater, Schwere Reiter-Straße 15 (beim Leonrodplatz / Dachauer Str.): wieder am nächsten Samstag und an vielen weiteren Terminen,
krist-live.de

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