Akrobatik gegen die Langeweile
Die Zigaretten kommen mittlerweile nur noch im Titel der Performance vor: „Beckett, beer and cigarettes“ heißt die Drei-Mann-Choreografie des Tänzers und Artisten Felix Bürkle, die bei der Tanzwerkstatt Europa in der Muffathalle viel Applaus erntete.
Von Samuel Becketts Stück „Warten auf Godot“ hat Felix Bürkle die Situation des Wartens als Ausgangspunkt genommen. Ein Tisch, vier Stühle, unzählige leere Bierflaschen – und drei Männer, die warten. Sie vertreiben sich die Zeit mit planlosem Herumspielen und es ist erstaunlich, was sie mit den Flaschen alles anfangen. Sie stellen sie auf den Kopf oder zum Slalom-Parcours auf, spielen Boule, Golf und Schach, stützen Tisch und Stühle in Schräglage darauf. Die Flaschen werden zu Jonglier-Objekten, die sie wie einen Ball rund um den Körper laufen lassen, und zu Wurfgeschossen, die sie im fast fliegenden Sprung über den Tisch zielsicher fangen. Dass auch mal eine zu Bruch geht, ist durchaus Absicht: Es zeigt die Zerbrechlichkeit des Glases.
Felix Bürkle hat eine Zirkusschule absolviert, ehe er an der Folkwang-Schule Tanz studierte. Auch Niclas Stureberg hat Zirkus-Erfahrung, während Jannik Elkaer Nielsen über Kampfsportarten zum Tanz kam. Gemeinsam haben sie in „Beckett, beer and cigarettes“ eine wunderbar spielerische Bewegungsperformance entwickelt, in der die verblüffende Akrobatik scheinbar nebenbei entsteht und nicht wie im Zirkus auf spektakulären Effekt hin ausgestellt wird. Die geplante Jonglage mit Zigaretten, die der Titel noch andeutet, erwies sich übrigens bei den Proben als zu unpraktikabel.
Der Musiker Nils Ostendorf schafft mit Trompete und elektronischen Klängen einen emotionalen Raum, der am Ende fast meditativ wirkt. Da balanciert Bürkle auf einem Turm aus Bierkästen, den er mit äußerster Konzentration weiter aufstockt, während er darauf steht und mit jedem neuen Kasten, den er sich unter die Füße schiebt, höher klettert. Die Schlusspointe setzt Nielsen, der wie ein Fakir auf einer Flaschenbatterie liegt, die beim Auffangen einer Flasche überraschend zusammenkracht.
Gabriella Lorenz
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