Aida in der Staatsoper: Niemandsland Ägypten

An der Bayerischen Staatsoper inszenierte Christof Nel Verdis „Aida“ mit stereotypen Gesten. Dirigent Daniele Gatti setzte auf innige Momente, Kristin Lewis in der Titelpartie mogelte sich durch
von  Abendzeitung

An der Bayerischen Staatsoper inszenierte Christof Nel Verdis „Aida“ mit stereotypen Gesten. Dirigent Daniele Gatti setzte auf innige Momente, Kristin Lewis in der Titelpartie mogelte sich durch

Von wegen Ägypten: Auf der Bühne sehen wir einen bunkerartigen Klotz (Jens Kilian), der sich drehen kann und je nach Bedarf Innenraum oder Außenfassade stilisiert. Verdis „Aida“ in der Staatsoper spielt im beliebigen Niemandsland, in dem sich mühelos ein Dutzend anderer Werke aufführen lässt.

Es scheint, dass der allerorten verkündete Appell zum Sparen auch an der Fantasie des Regisseurs Christof Nel nicht spurlos vorüber gegangen ist. Die Inszenierung bevorzugt stereotype Gesten. Individuelle Tragödien finden nicht statt. Sänger und der von Andrés Máspero hervorragend präparierte Chor stehen zumeist an der Rampe. Wenn sich die Ägypter schon einmal, wie es sich gehört, Luft verschaffen dürfen, etwa beim Triumphmarsch, dann geben sie sich aggressiv, feindselig, fuchteln mit dem Messer (Choreografie: Valenti Rocamora i Torà) und zeigen vor allem den äthiopischen Sklavinnen, dass mit ihnen nicht zu spaßen ist.

Sparen an der Fantasie

Wie der 66-jährige Christof Nel immer wieder Verdis Musik konterkariert, ist schlimm, auf jeden Fall aber einfallslos. Lediglich einmal, beim Einzug der siegreichen ägyptischen Soldaten während des Triumph-Aktes, war so etwas wie eine Idee zu erkennen. Da findet sich Aida plötzlich inmitten der einmarschierenden Helden wieder und weiß nicht, wo sie sich verstecken soll. Als die Fanfaren ertönen, hält sie sich verschreckt die Ohren zu.

Das Schlussbild stellt das Szenario Verdis – Aida gesellt sich zu Radamés, und beide werden eingemauert – geradezu auf den Kopf. Die Bühne ist dunkel und leer. Beide Sänger stehen in einem hellen Licht-Viereck, das inklusive dazu gehöriger Gefängnis-Gitterstäbe auf den Bühnenboden projiziert wurde. Ein hübscher Gag, nur leider von den Plätzen im Parkett kaum wahrnehmbar.

Wohlwollend könnte man folgern, dass Christof Nel dem Betrachter ausgiebig Raum für die eigene Fantasie ließ. Ein wenig mehr Atmosphäre hätte allerdings schon sein dürfen. Und auch mit einer geordneten Personenregie hatte Nel nur wenig im Sinn.

Ständiger Blickkontakt der Sänger zum Dirigenten hieß die Devise. Davon wurde eifrig Gebrauch gemacht – sehr zum Vergnügen von Daniele Gatti, der wie der Regisseur mit dieser „Aida“ sein Staatsopern-Debüt gab. Ihm ist zu danken, dass die Produktion nicht vollends zum Flop wurde.

Durch die Noten gemogelt

Schon im Vorspiel riskierte er zusammen mit dem sensibel reagierenden Staatsorchester zarteste Stille, ohne die erforderlichen Akzente zu vernachlässigen. Wo er konnte, half der italienische Maestro seinen Akteuren auf der Bühne. Die mächtigen Ensemble-Steigerungen gelangen imponierend, auch deshalb, weil sich nahezu alle Sänger am wohlsten fühlten, wenn sie laut und vernehmlich Kraftakte servieren durften.

Doch dem auswendig dirigierenden Daniele Gatti schienen die intimen, innigen Momente der Musik erheblich näher zu stehen. Und deshalb kam es immer wieder zu musikalischen Durchhängern, weil die Intensität aus dem Orchestergraben zumeist unerwidert blieb.

Barbara Frittoli hatte schon im Vorfeld gegen die Regie Einwände und deshalb abgesagt. So kam die Amerikanerin Kristin Lewis zu der Ehre, die Titelpartie singen zu dürfen. Leider wurde sie im Verlauf der Vorstellung immer nervöser. Mit flackerndem Timbre mogelte sie sich durch die Noten. Salvatore Licitra (Radamés) begann sehr kultiviert („Celeste Aida“), ließ sich dann aber von den Phonstärken seiner Kollegen mitreißen. Den übrigen – Ekaterina Gubanova (Amneris), Giacomo Prestia (Ramfis), Marco Vratogna (Amonasro), Christian Van Horn (König) – fehlte es trotz eindrucksvoller stimmlicher Präsenz an Persönlichkeit und Ausstrahlung.

Volker Boser

Nationaltheater, 11., 14., 17.,21. Juni, Tel. 2185 1920

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