Ägyptische Passionen
Vom Jahrmarkt zur Wissenschaft: Tanja Kinkel über ihren neuen Historien-Roman
Wenn man Tanja Kinkel fragt, ob sie je etwas anderes als Schriftstellerin werden wollte, muss sie überlegen. „Ich kann mich ganz dunkel erinnern, dass ich im Kindergartenalter mal Seiltänzerin werden wollte“, sagt sie. Aber schon seit der Grundschule stand ihr Ziel endgültig fest. Mit 21 veröffentlichte sie ihren ersten Roman, heute, mit 39, hat sie gerade den zwölften fertig. Dazwischen studierte sie Germanistik und schrieb eine Dissertation über Lion Feuchtwanger. Zwei Karrieren, eine Person – und die sitzt kerzengerade auf dem Sofa einer Hotellobby und erzählt ernst und klug von ihrem neuen Buch.
Ein starker Mann
„Die Säulen der Ewigkeit“ handelt von der Britin Sarah Belzoni und ihrem italienischen Gatten Giovanni. Beide reisten 1815 nach Ägypten, um Altertümer zu suchen. Beide sind schillernd, beide haben tatsächlich gelebt. „Belzoni hätte ich mich gar nicht getraut zu erfinden: erst starker Mann auf dem Jahrmarkt, dann einer der wichtigsten Ägyptologen“, meint Kinkel kopfschüttelnd. Nachdem sie zwei Biografien gelesen hatte, wusste sie plötzlich, über wen sie schreiben wollte: Nicht über ihn, sondern über seine Frau.
„Es war ungewöhnlich genug, dass eine Engländerin einen italienischen Vagabunden geheiratet hat. Aber auch, dass sie nicht immer an seiner Seite geblieben ist, sondern verkleidet nach Jerusalem gereist ist. Was für eine Frau muss das gewesen sein?“, sinniert Kinkel. Nach anderthalb Jahren Recherche begann sie damit, Sarah Belzonis Persönlichkeit auszuschmücken. Ungereimtheiten wie die Tatsache, dass ihr Mann eine wichtige Reise alleine unternahm, boten Tanja Kinkel einen Anlass, amouröse Verwicklungen einzubauen.
Die Figuren sind keine Abbilder der Autorin
Mit ihrer Persönlichkeit, beteuert die zurückhaltende Autorin, habe die Sarah im Buch nichts zu tun. „Ich fände es sehr langweilig, wenn in meinen Büchern lauter Alter Egos von mir herumhüpfen würden. Aber man muss sich natürlich in alle Figuren hineinversetzen, nicht nur in die Haupt-, sondern auch in die Nebenfiguren, und nicht nur in die sympathischen, sondern auch in die unsympathischen“, erläutert sie. „In ,Die Puppenspieler’ gibt es eine Folterszene – das war ein emotional verstörendes Erlebnis, die zu schreiben.“ Viel lieber als über sich selbst spricht die Wahlmünchnerin über ihren Verein „Brot und Bücher“, der Schulen in Indien und Tansania baut.
Für ein auf andere Art gemeinnütziges Projekt hat sie ihr eigenes geistiges Eigentum zur Verfügung gestellt: Auf www.tanja-kinkel.de hat sie eine Schreibwerkstatt eingerichtet, um neue Talente zu fördern. Vorgegebene Szenen aus ihrem Buch sollen umgeschrieben werden, mittels eines Bewertungssystems wird der Siegertext gekürt. Denn ganz ähnlich hat auch Kinkel als Teenager angefangen: mit Geschichten über Star-Wars-Charaktere.
Julia Bähr
„Die Säulen der Ewigkeit“ (Droemer Knaur, 680 Seiten, 19.95 Euro)
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