Adieu Dämonen
Mit ihrem neuen Album "Flavors of Entanglement" verarbeitet Alanis Morissette den Schmerz nach der Trennung von Schauspieler Ryan Reynolds. Beim Konzert im Circus Krone schlug sie dunkle, rockige Töne an - und erhielt für alle Mühen Entschädigung: die Liebe der Fans.
Die Gebote des Pop-Zirkus – stromlinienförmiger Starkörper, ausgeklügelte Choreographien in einer perfekten Show – gehen Alanis Morissette offensichtlich am Bauch vorbei. Die ganz große Fanmenge scheint sie nicht mehr anzuziehen, statt der Olympiahalle füllt sie nun das Circus Krone, wenn auch nicht auf den letzten Platz. Doch gerade das ist angenehm, für dieses Scheingefühl namens Intimität eignet sich das Zelt besonders. Bei der 34-Jährigen aus Ottawa stellt es sich um so schneller ein, weil sie beim Unterricht in Sachen Pose anscheinend permanent gepennt hat.
Bereits beim düster dräuenden „Uninvited" lässt sie wie eine Woodstock-Rockerbraut unter Strom ihre Haare vor- und zurückschießen, Soft-Banging für die ganze Familie, und wenn sie nicht wahllos hin und herläuft, steht sie am Mikro, die Hände vor sich verschränkt oder gar hinter dem Rücken, wie ein kleines Mädchen, dass gerne ein paar Süßigkeiten hätte und weiß, dass sie mit dieser Nummer nicht leer ausgehen wird, auch wenn sie ihr Publikum vor neue Herausforderungen stellt: Der neue Morissette-Sound ist dunkler, der Produzent ihrer neuen Platte „Flavors Of Entanglement" Guy Sigsworth hat seine Spuren hinterlassen. Geboten wird psychedelischer Rock, wobei der Synthesizer manche Nuance wegspült. Der Beat geht provozierend schleppend am Stock, andere Songs kommen überraschend auf Touren. „Hand In My Pocket" entschleunigen Morissette und ihre fünfköpfige Band, bis die Hand beim Klatschen einschläft; bei „Moratorium" singt sie davon, dass sie erst Mal keine Lust mehr auf Pärchengeklüngel hat, und dreht sich im Gleichtakt mit den Gitarren, schnell wie ein Derwisch, im Kreis, als ob sie etwaige Beziehungssorgen exorzieren will.
Adieu Dämonen: Die Trennung von Lover Ryan Reynolds war Inspiration für das neue Album. Dass so ein Verlust auch ein Gewinn sein kann, Motivationsspritze und Befreiung, ist eine Ironie des Schicksals. Das Liebesbedürfnis, denkt man sich, müsste doch nach so einem Abend vorerst gestillt sein. Bei „Ironic" nehmen die Fans ihr das Singen ab, das letzte Lied „Thank You" findet ein tausendfaches Echo.
Michael Stadler
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