ACTA: Das sagen Künstler, Autoren und Piraten

Das Anti-Piraterie-Abkommen erhitzt Gemüter und lässt die Bundesregierung zickzack fahren. Aber fragen wir doch erst einmal Verlagsleiter, Künstler, Autoren und Piraten.
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Das Anti-Piraterie-Abkommen erhitzt Gemüter und lässt die Bundesregierung zickzack fahren. Aber fragen wir doch erst einmal Verlagsleiter, Künstler, Autoren und Piraten.

München - Was ist passiert, wenn die Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) übers Wochenende von einer passionierten Verteidigerin des Acta-Gesetzesprojekts zur opportunistischen Gegnerin mutiert? Die bundesweiten, über das Internet organisierten Großdemonstrationen gegen das Anti-Piraterie-Abkommen sind der Politik in die Knochen gefahrten.

Der Schock sitzt tief, wie stark und schnell sich bereits die Internet-Gemeinde politisch mobilisieren lässt. Jetzt wogen die Meinungen hin und her, ob oder wie man Urheberrechte im Internet schützen kann oder soll. Wer darf welche Daten über Internet-Piraten bekommen und verfolgen? Und wer schützt den Internet-Nutzer vor Schnüffeleien?

Wir haben Künstler, Verbandsfunktionäre und einen Geschäftsführer der Piraten-Partei befragt, was von Acta zu halten ist und ob es wirklich ad acta gehört:

Klaus Doldinger (Jazz-Legende): Zwei Paar Stiefel

Klaus Doldinger (JazzLegende, Komponist und Gema-Funktionär): „Ich begrüße grundsätzlich, dass man sich der Wichtigkeit der Wahrung der Urheberrechte bewusst wird. Aber mich irritiert jetzt sehr an der Acta-Diskussion, dass man mit Acta Produktfälschung, die ja im Urheberrecht eindeutig als Plagiat beschrieben und untersagt ist, mit der Wahrung des geistigen Eigentums vermischt. Produktpiraterie – wie bei Gucci-Taschen – und das hohe Gut der Autorenschaft in Literatur und Musik sind aus meiner Sicht schon zwei wirklich sehr unterschiedliche Paar Stiefel, die man verschieden regeln muss.“

Willy Astor (Musiker): Quittung für die Plattenindustrie

Willy Astor (Wortkünstler, Musiker): „Als Komponist und Texter bin ich natürlich für den Schutz geistigen Eigentums. Raubkopien sind im Grunde nichts anderes als Diebstahl – wobei es ja alle, die’s tun, als Kavaliersdelikt ansehen. Im Grunde ist die Plattenindustrie an dieser Riesensauerei schuld, da sie jahrzehntelang Millionen an den viel zu teuren CDs verdient hat und nun die fette Quittung bekommt. Wenn man sich vorstellt, dass die Produktion einer CD 1,50 Euro kostet, kann ich die Jugend verstehen, dass sie nicht 16 Euro für’s Endprodukt bezahlen will. Kunst muss bezahlbar sein, dann macht es nämlich allen Spaß.“

Eckhard Schmidt (Dokumentarfilmer): Was rumschwirrt, sollte frei sein

Eckhard Schmidt (Dokumentarfilmer, Autor, Fotograf): „Wenn man sich vorstellt, dass der ,Bu-shido’-Film 500.000 Besucher im Kino hatte, aber die gleiche Anzahl den Film schwarz im Internet runtergeladen hat, wird klar: Hier fehlt einfach das Bewusstsein dafür, dass man hier eine Art Raub begeht. Für mich ist es aber etwas anderes, wenn man Sachen, die auf Youtube herumschwirren, runterlädt und damit was Eigenes macht oder einfach nur weiterschickt. Wenn es nicht gleich ein ganzes Kunstwerk ist, sondern nur Teile oder nur ein Trailer, dann sollte es frei sein, wenn man das nur privat nutzt.“

Aleks Lessmann (Piratenpartei): So nicht! Künstler schützen!

Aleks Lessmann (Geschäftsführer der Piratenpartei Bayern): „Wir lehnen Urheberrechte ja nicht ab. Wenn aber Recht nur Interessen der großen Firmen stärkt, andererseits Künstler und Konsumenten benachteiligt, stimmt was nicht. Acta wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt. Die großen Verwertungsgesellschaften wurden beteiligt, aber weder die Zivilbevölkerung noch Betroffene. Selbst die Aufforderung des EU-Parlaments, öffentlich zu verhandeln, wurde von der EU-Kommission ignoriert. So zerstört man Vertrauen in die Politik und so kann auch kein neutrales Vertragswerk entstehen. Tatsächlich brauchen wir eine Reform des Urheber- und Patentrechtes, das aber die Künstler schützt.“

Achim Bergmann (Geschäftsführer Musikverlag Trikont): Vorgeschobene Interessen

Achim Bergmann, Geschäftsführer des Musikverlags Trikont: „Die Freiheiten des Internets werden bereits massenhaft zur Information und Kommunikation genutzt, d.h., sie sind Tatsache. Jede Einschränkung dieser Freiheit muss deshalb intensiv und von allen Beteiligten demokratisch diskutiert und beschlossen werden. Nicht nur in Sy- rien oder China schreien die Machthaber sofort ,Missbrauch’ wo es nur um Bürgerrechte geht. Auch bei uns dienen Versuche, diese Freiheit zu beschränken, wie im Falle Acta, nur den Interessen von Lobbyisten industrieller Verwertung und politischen Akteuren zur Kontrolle des Netzes. Wobei regelmäßig und fälschlicherweise die Interessen von Künstlern und Kreativen vorgeschoben werden.“

Michael Krüger (Leiter des Hanser Verlags): Rechtssicherheit muss sein

 

Michael Krüger (Leiter des Hanser Verlags): „Ich bin im Sinne unseres Berufsstandes prinzipiell dafür, dass man das Urheberrecht schützen und mit allen Mitteln versuchen muss, eine Rechtssicherheit im Netz zu finden. Dass man eine totale Sicherheit finden kann, ist unmöglich. Das Netz lädt zur Piraterei ein. Man sollte jedoch zu einem Konsens kommen – wie schwierig das ist, sehe ich im Zusammenhang der Rechtsschutznovelle, die immer noch auf dem Tisch unserer Justizministerin liegt. Ich habe auch immer Verständnis dafür, dass jemand für seine Rechte kämpft. Demonstrationen sind eine wertvolle Meinungsäußerung. Aber es sollte schon so sein, dass für das Recht und nicht das Unrecht demonstriert wird.“

 

 

 

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