Abgrundtiefe Eleganz
Anne-Marie Bonnet und Gabriele Kopp-Schmidt haben mit „Die Malerei der deutschen Rennaissance“ ein Kompendium geschaffen, das einen neuen Blick auf die deutsche Szene zulässt
Die knochigen Finger krallen sich in den kalten Leib. Die Grabplatte ist schon beiseite geschoben, und mit angewidertem Blick lässt sich die bleiche Maid von ihrem grausigen Galan liebkosen. Auftakt zu einem bitter-erotischen Totentanz ist das – und keiner konnte diese Fatalität kruder und zugleich subtiler inszenieren als Hans Baldung, genannt Grien.
Der Maler aus dem württembergischen Schwäbisch-Gmünd zählt zu den großen Protagonisten einer Zeit, die in ihrer Bewertung verrutscht scheint. Wer denkt beim Stichwort Renaissance schon an den Norden? Wo sich geballte Genialität doch in Italien und hier besonders in Florenz zu schaffen machte. Und jedes Talent, egal woher, erst über die Alpen pilgern musste, um unter südlicher Sonne wahre Kunst zu erkennen. Was sich bis heute in gewichtigen Kompendien niederschlägt.
Umso erstaunlicher, dass im Verlag Schirmer/Mosel nun ein mächtiger Foliant erschien, der den deutschen Malern ein geradezu luxuriöses Terrain bereitet: von zentralen Albrecht Dürer über Lucas Cranach d. Ä. und Baldung bis zum eleganten Hans Holbein, den nicht nur König Heinrich VIII. von England umwarb.
Damit findet zusammen, was bislang in viele Monografien verstreut war. Man kann vergleichen und bekommt diese Highlights spannend wie kundig erklärt. Übrigens von zwei Kunsthistorikerinnen aus dem Inner Circle des Bilderdeuters Hans Belting: Anne-Marie Bonnet und Gabriele Kopp-Schmidt. Und das Hin und Her zwischen Nord und Süd wird zu einem prickelnden Tête-à-Tête.
Christa Sigg
„Die Malerei der deutschen Renaissance“ (Schirmer/Mosel, 416 Seiten, 313 Abbildungen in Farbe, 128 Euro)
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