Abgesang auf den Marstall
Der Minister wünscht sich andere Projekte für München und will die Moderne fördern
Lange hat er sich mit konkreten Aussagen zurückgehalten – als Neuling im Kabinett wollte er sich erst einarbeiten. Jetzt setzt er erste Duftmarken – und erklärt im AZ-Interview, wohin er die Kultur steuern will. Der FDP-Politiker (62) Wolfgang Heubisch ist seit Oktober Bayerns Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Der promovierte Zahnarzt lebt in Schwabing, war Präsident des Verbandes Freier Berufe in Bayern, ist verheiratet und hat drei Kinder
AZ: Herr Heubisch, Sie nennen Strawinsky Ihren Lieblingskomponisten. Eine ungewöhnliche Wahl.
WOLFGANG HEUBISCH: Die Zuspitzung auf einen Einzelnen ist immer schwierig. Mozart schätze ich im Konzert nicht. Da ziehe ich Brahms, Mahler oder die Russen vor.
Dazu passt Alexej Jawlensky als Ihr bevorzugter Maler.
Ich bewundere die Reduktion der Form bei seinen Gesichtern. Leider sind seine Bilder für mich zu teuer. Aber ich besitze ein Werk von Günther Uecker und ein Knaben-Porträt aus dem 17. Jahrhundert. Ich bin da nicht festgelegt.
München diskutiert über einen neuen Konzertsaal im Marstall. Besteht Hoffnung, dass Mariss Jansons ihn mit Strawinsky eröffnet?
Ich bin sehr skeptisch. Es gibt derzeit wichtigere Projekte. Die Finanzierung ist ungesichert. Natürlich ist das städtische Gasteig akustisch problematisch. Aber den Herkulessaal loben alle Experten. Man müsste ihn optisch attraktiver gestalten, etwa durch ein ansteigendes Parkett.
Wenn Ihnen das Christkind Neubauten schenken sollte, wäre der Marstall dabei?
Ich sehe ihn nicht als Konzertsaal. An erster Stelle stehen für mich ein Erweiterungsbau der Pinakothek der Moderne für die Graphische Sammlung und die Verkehrsberuhigung des Areals. Die Straßenbahn durch die Barer Straße steht nicht zur Diskussion. Wenn der Neubau der Ägyptischen Sammlung und der Hochschule für Fernsehen und Film fertig sind, wird die Gabelsbergerstraße zum Problem.
Wie wäre es zu lösen?
Mein Traum wäre ein Super-Tunnel von der Widenmayerstraße bis hinter die TU. Der Platz vor dem Nationalmuseum ist für mich einer der schönsten Münchens. Der Blick aufs Prinz-Carl-Palais würde frei und die Anbindung des Hauses der Kunst an die Stadt verbessert.
Wollen Sie sich ein architektonisches Denkmal setzen?
Nein. Aber Ideen anschieben, die eine Diskussionsgrundlage für die nächsten zehn Jahre bilden. München täte mehr Wagemut gut. Ich mag es nicht, wenn reflexartig gegen jedes interessante Projekt argumentiert wird. Auch in Nürnberg könnte ich mir mehr Experimentierfreude für die Moderne wünschen. Ich meine damit weniger die Architekten als die Gremien. Historisierende Investorenarchitektur gefällt mir nicht. Ein Bau wie das Guggenheim-Museum in Bilbao beeindruckt mich sehr.
Sie sind also doch neidisch auf die Hamburger Elbphilharmonie?
500 Millionen sind natürlich ein Hammer. In München ist für mich die Allianz Arena eines der wichtigsten Bauwerke seit der Olympiade. Ich frage mich nur, ob ausgerechnet ein Fußballstadion den wichtigsten architektonischen Akzent setzen muss.
Als Zahnarzt denken Sie prophylaktisch. Als Kulturpolitiker sicher auch.
Ich will die grandiose Museumslandschaft Bayerns auf hohem Niveau halten. Der Koalitionsvertrag legt Wert auf ein umfangreiches Museumserneuerungsprogramm.
Das klingt nach einem Bekenntnis zur Region.
Nürnberg wird immer zweitwichtigstes Zentrum bleiben. Leider sind im Neuen Museum die Besucherzahlen stark rückläufig. Hier müssen wir nach Ursachen suchen. Es ist unglaublich, was an Kunst in den Depots schlummert. Hier hoffe ich auf Ideen des neuen Leiters der Staatsgemäldesammlungen für Ausstellungen in ganz Bayern.
Droht angesichts der Finanzkrise die finanzielle Götterdämmerung?
Bei den Staatstheatern oder Bayreuth werden wir kaum finanzielle Abstriche machen. Eins ist klar, wir werden auch in Zukunft auf privates Engagement angewiesen sein, zum Beispiel von Sammlern wie Brandhorst oder Stoffel, um München als kulturelles Zentrum zu stärken.
Im Wahlprogramm forderte die FDP noch die Rückgabe des Giselakreuzes und des Herzogsschwertes nach Franken. Wie steht es damit?
Beides gehört nicht dem Staat, sondern dem Wittelsbacher Ausgleichsfonds. Das mussten wir auch erst lernen. Das Herzogsschwert ist außerdem so fragil, dass es aus konservatorischen Gründen kaum transportiert werden kann.
Wie stehen Sie als Wissenschaftsminister zu den Studiengebühren?
Die Gelder werden für die Lehre verwendet, aber die Studenten müssen wissen wie sie eingesetzt werden. Problematisch ist der Zustand der Bibliotheken. Hier möchte ich die personelle Ausstattung verbessern. Die Hochschulen sollten aber selbst entscheiden, wie sie das Geld einsetzen und den Wettbewerb unter den Fakultäten stärken.
Beklagt wird, dass Forschung und Lehre immer mehr auseinander driften.
Studenten wollen in ihren Vorlesungen gute Forscher hören. Die möchten wiederum die Wissenschaft nicht vernachlässigen. Spitzenkräfte bekommt man nur, wenn sie in der Lehre nicht zu stark beansprucht werden. Auch das sollten die Unis autonom regeln.
Kommen Sie sich als Quereinsteiger auf dem Ministerstuhl manchmal als Hochstapler vor?
Puren Berufspolitikern und Spezialisten fehlt es am Überblick. Eine Portion Lebenserfahrung tut der Politik gut.
mak, gr., RBR