Abfallverwertung mit Sägefisch
Das staatliche Museum für Ägyptische Kunst präsentiert den Papyrus des Artemidor in einer Sonderschau. Besucher sollten Bilderrätsel lieben, sonst gehen sie zwischen Tonscherben, Statuetten, Sphingen und Landkarten verloren.
Man muss schon eine glühende Leidenschaft für Hieroglyphisches und andere knifflige Fälle haben, um als Papyrologe glücklich werden zu können. Schriftrollen bestehen oft aus lauter Löchern – ebenso wie andere Überlieferungen aus der Zeit der alten Ägypter. Die Berliner Wissenschaftler Bärbel Kramer und Fabian Reiter haben versucht, die Fragezeichen auszulichten, die hinter dem wertvollen Artemidor-Papyrus aus Turin stehen. Das Ergebnis ihrer und der Arbeit eines internationalen Teams ist nun in einer Sonderschau im Münchner Ägyptischen Museum zu sehen.
Dabei ist der von Turin einst für 2,75 Millionen Euro erworbene Artemidor-Papyrus selbst Gegenstand eines Forschungs-Krimis: Erst im März, als die Schrift zur Ausstellung nach Berlin kam, hatte sie ein italienischer Forscher als Fälschung bezeichnet – was das Artemidor-Expertenteam glaubwürdig widerlegte.
Man muss Bilderrätzel lieben
Als Besucher muss man allerdings Bilderrätsel lieben, sonst geht man in der unübersichtlich in die Dauerausstellung eingebetteten Schau zwischen weit hergeholten Vergleichsobjekten wie Tonscherben, Statuetten, Sphingen und Landkarten verloren.
Im Mittelpunkt stehen die zerfetzten Relikte einer etwa drei Meter langen, doppelseitig bezeichneten Schriftrolle. Der Papyrus stammt laut Radiokohlenstoffdatierung aus dem 1. Jahrhundert n. Chr., also der römischen Kaiserzeit aus Alexandrien (wo er gefunden wurde). Er trägt auf der Vorderseite einen geographischen Text sowie die Beschreibung einer Küstenfahrt um die iberische Halbinsel, bereits in römische Provinzen aufgeteilt. Zwei Schriftstellen darin wurden als Zitate des griechischen Geographen Artemidor aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. identifiziert. Demnach handelt es sich um die Abschrift eines seiner Werke.
Schwer indentifizierbare Fetzen
Zwischen den Texten befindet sich eine unvollendete Landkarte, die letztlich nicht identifiziert werden konnte, auch wenn naheläge, dass es sich dabei um Spanien handelt. Text und Karte wiederum sind lose umgeben von Körperstudien, die hellenistische Köpfe, Füße und Hände zeigen – und keinerlei Zusammenhang mit dem Text haben.
Die Papyrus-Rückseite wiederum zeigt Tiger, Giraffen, Seeschlangen und Sägefische. Die plausible Erklärung für das vermeintliche Mysterium nach Kramer und Reiter: Wahrscheinlich wurde die Rolle in der Schreibwerkstatt nicht vollendet, weil der Auftraggeber starb oder nicht zufrieden war. Danach wurde sie als Material für Studien von Schreibschülern weiterverwendet.
So ist der Artemidor-Papyrus nicht nur die erste erhaltene Verbindung von Landkarte und geografischer Beschreibung. Die Körperstudien und Tierzeichungen lassen ihn zu einer Art Musterbuch werden, wie aus der Antike sonst ebenfalls nichts erhalten ist.
Roberta De Righi
Bis 2. 11., Mi – Fr 9 bis 17, Sa/So 10 bis 17, Di 9 bis 21 Uhr
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