Aber wir lieben uns doch!

Der beste, intelligenteste, erotischste Beziehungs- Gefährdungsfilm des Jahres: „Last Night“ mit Keira Knightley, Eva Mendes, Sam Worthington und dem französischen Star Guillaume Canet
von  Abendzeitung

Der beste, intelligenteste, erotischste Beziehungs- Gefährdungsfilm des Jahres: „Last Night“ mit Keira Knightley, Eva Mendes, Sam Worthington und dem französischen Star Guillaume Canet

Kann eine Lüge im Auge schimmern? Ist der Sekundenbruchteil an Zögern ein unbewusstes Indiz? Am Abend zuvor hatten sie gestritten, wie es alle Paare tun, auch wenn sie zueinander passen. Aber sie (Keira Knightley) war aggressiv, weil sie eigentlich mit sich selbst unzufrieden ist: Ihre journalistische Arbeit ist im Mittelmaß versackt, stockt. Er war nervös, weil er ganz früh raus musste, auf Dienstreise mit einer Kollegin (Eva Mendes), die – zugegeben – sexy ist. Nachts war er (Sam Wor-thington) dann noch einmal aufgestanden, hatte sie – die Eingeschnappte – von der Couch geholt und ein kleines Nachtessen gekocht. Es endete versöhnlich. Auch ihre ansich kritische Frage, „haben wir zu früh geheiratet?“, ist da nur noch Zeichen ihrer gegenseitigen Offenheit in Liebe.

36 Stunden später ist man mit beiden parallel durch einen Tag und eine weitere Nacht gegangen. Vieles ist passiert, manches auf’s Spiel gesetzt worden – sie hat einen sympathischen Ex (Guillaume Canet) getroffen, er ist der Kollegin nahe gekommen. Alles ganz natürlich – und doch ist fraglich, wie man einer beklemmenden, schleichenden Vergiftung durch den Zweifel – an sich, seinem Leben, am anderen – begegnen kann.

Völlig frei von spießigen Verurteilungen

„Last Night“ ist der faszinierendste Film des Jahres um die Verletzlichkeit von Liebe und Vertrauen und die ganz natürliche Frage der Treue in einer auf lebenslänglich angelegten, durchaus als gelungen gezeigten Zweisamkeit. Dabei ist „Last Night“ aber völlig frei von spießigen Verurteilungen. Jeder im Attraktionsquartett ist gleichwertig, der solide (Gewerbeimmobilien-Entwickler) liebende, letztlich vorsichtige Ehemann, ihr künstlerisch-romantischer, aber auch egozentrischer, intellektuellerer Ex-Freund. Die offensiv verführerische, aber eben auch liebevoll-einfühlsame und verletzliche Kollegin und die schöne, verunsicherte, abenteuerlustige und doch ehebewahrende Frau: Jeder handelt so riskant und doch nachvollziehbar, öffnet sich und gefährdet dabei so viel, kommt zu sich und entfernt sich dabei vom gewohnt Geliebten.

Was kann ein Film mehr leisten? Man fiebert mit: Lassen sie’s oder nicht? Man spiegelt sich selbst und andere wider, während ein Lebensthema so raffiniert labil ausbalanciert ist, dass einem schwindelig wird. Hat die Ehe schon gebrochen, der an Ehebruch denkt? Hat, wer mit einem anderen schläft, damit die Liebe aufgekündigt?

Erotik, Romantik, Sex bringen den Film zusätzlich zum Knistern, dazu eine umwerfende Schauspielkunst, die eben auf Nuancen setzt – Blicke, Gesten – die wunderbar subtil viel Innenleben verraten. So ist der Zuschauer gebannt mit eingespannt.

Adrian Prechtel

Kino: Leopold, Mathäser, CinemaxX sowie Cinema (OV), B&R: Massy Tadjedin, (USA, 90 Min.)

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