30 Jahre Muffatwerk
"Hier wird Kante gezeigt gegen jede Form von Menschenfeindlichkeit", sagt Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien, am Freitagmittag im Muffatwerk. Sie ist extra angereist zur Pressekonferenz anlässlich des 30. Geburtstags dieser Münchner Institution.
Dass aus dem ehemaligen Kohlekraftwerk eine Kulturstätte wurde, sei natürlich ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz, sagt sie schmunzelnd, vor allem aber sei hier "ein Leuchtturm in der Kulturlandschaft" entstanden, ein Ort, an dem Kunst und Kultur "nah und unmittelbar am Menschen" sei.
Kaum jemand in München, der keine Erinnerung mit diesem Areal verbindet: an Biergarten-Besuche, an die legendären Serien-Abende etwa mit Helmut Dietls "Münchner Gschichten", an Faschings- und andere Parties, an Konzerte, Poetry Slams, Lesungen oder Ausstellungen. Daniel Kehlmann und Sven Regener haben hier gelesen, lange bevor sie allgemeine Bekanntheit erlangten. Amy Winehouse gab hier ebenso Konzerte wie Serge Gainsbourg und Jane Birkin oder Kraftklub.
Die Liste der Namen ist lang, dieser Ort hat es geschafft, über die Jahrzehnte ein wirklich diverses, vielfältiges und buntes Publikum anzulocken. Oder, wie Claudia Roth es formuliert: "Hier findet die Realität einer multikulturellen Gesellschaft einen Raum." Sie betont, wie wichtig das gerade heute sei, wo antidemokratische Kräfte stärker werden: "Wir brauchen geschützte Orte für die Demokratie und Stimmen, die sie verteidigen."
Sie ist stolz, dass der Bund der Kultur während der harten Corona-Zeit helfen konnte, und auch, dass der gerade gestartete "Kulturpass" allen 2005 Geborenen ein Startbudget von 200 Euro für ein "Rendez-Vous mit der Kultur" ermöglicht. Denn sie selbst erinnert sich, wie wichtig es für sie war, in diesem Alter rauszukommen, "vom schwäbischen Land nach München" zu fahren, auf Konzerte und Festivals zu gehen.
Der Kulturpass nun soll den jungen Leuten ermöglichen, nach dem Eingesperrtsein während der Pandemie solche Erfahrungen nachzuholen. 200 000 junge Menschen haben sich wohl schon registriert seit dem Start am 17. Juni.
Die Geschäftsführer des Muffatwerks, Christian Waggershauser und Dietmar Lupfer, freuen sich natürlich über so viel Lob. Waggershauser fasst die Euphorie in Zahlen: 14350 Veranstaltungen gab es hier seit der Eröffnung, 5414 Künstler(gruppen) sind aufgetreten aus 128 Ländern. Lupfer betont vor allem die Interdisziplinarität des Orts, der sich eben nicht beschränkt auf eine Kunstform, sondern an dem Literatur, Musik, Theater und Tanz ganz selbstverständlich nebeneinander existieren dürfen. Er ist stolz, hier "Sachen auf den Weg bringen" zu können. So war der heute international erfolgreiche Choreograf Richard Siegal als Artist in Residence hier, der amerikanische Künstler Chico Mac Murtrie realisierte seinen "Boarder Crosser" an der mexikanischen Grenze mit konzeptioneller und finanzieller Unterstützung des Muffatwerks - "ein Symbol, dass dieser Trump'sche Zaun überwunden werden kann".
Immer wieder also geht es hier um Vielfalt statt Einheit, um Offenheit statt Verschlossenheit. Dass Lupfer sich kurz ein wenig verhaspelt, als er vor "antisemitischen oder allgemein diffamierenden Positionen" und der Beschneidung von Kultur warnt und ein wenig unglücklich das Wort "Cancel Culture" verwendet, sei an dieser Stelle verziehen.
Ab 12. Juli feiert das Muffatwerk seinen runden Geburtstag mit einem Jubiläumsprogramm: Es gibt eine Ausstellung von Alexandra Daisy Ginsberg, Agnes Meyer-Brandis und Kurt Hentschläger ("Lost in Space - Muffat Digital Art), ein philosophisches Nachtgespräch mit Julian Nida-Rümelin und Byung-Chul Han, Konzerte von Vieux Farka Touré, Lady Blackbird, eine Hip Hop-Nacht, Parties und mehr. Eine bunte Mischung eben, wie man sie von diesem Ort gewohnt ist.
Am Ende der Pressekonferenz wird Claudia Roth noch einmal sehr deutlich: "Gerade in Krisenzeiten sind Kunst und Kultur Lebenselixier und die Stimme der Demokratie. Wir dürfen uns solche Orte nicht nur in guten Zeiten leisten, gerade jetzt kommt es drauf an. Wenn die Haushalte angespannt sind, gibt es Verteilungskämpfe. Wenn Kunst und Kultur da keine Pflichtaufgaben der Politik sind, wird hier gekürzt - und das ist komplett falsch. Kunst und Kultur brauchen eine starke Lobby, sie sind ein Stabilitätsfaktor in dieser Demokratie, die zunehmend angegriffen wird."
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