Trendwende: Jetzt will auch die CSU Fixerstuben in München einrichten
München - Der Münchner CSU-Chef war außer sich. "Makabere Menschenversuche!", schimpfte Peter Gauweiler 1997, da hatte Rot-Grün im Rathaus mal wieder Fixerstuben ins Spiel gebracht - Räume, in denen Schwerstabhängige unter hygienischen Bedingungen und Aufsicht Drogen konsumieren könnten.
21 Jahre später ist erstmals alles anders. Die Rathaus-CSU beantragt ganz offiziell, in einem Modellversuch einen Drogenkonsumraum - so der offizielle Name - einzurichten.
Schon seit Jahren sorgen die steigenden Zahlen bei den Drogentoten immer wieder für Aufsehen in München. Teilweise lagen sie deutlich über den Werten der einstigen Drogen-Hauptstadt Frankfurt am Main.
"Offensichtlich hat die Drogenpolitik nicht ausreichend funktioniert"
"Wir können uns nicht wegducken", sagte CSU-Stadtrat Hans Theiss am Freitag im Gespräch mit der AZ. Theiss ist Mediziner - und kandidiert für den Landtag im Stimmkreis München-Mitte, zu dem der Nußbaumpark und die Straßen am Hauptbahnhof gehören. "Offensichtlich hat die städtische Drogenpolitik in den letzten Jahren nicht ausreichend funktioniert", sagte er.
Theiss schlägt nun gemeinsam mit CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl vor, einen Drogenkonsumraum als Test für drei Jahre im Bahnhofsviertel einzurichten, in dem der Besitz geringer Mengen Drogen für den Eigenbedarf nicht verfolgt wird.
"Eine Uniklinik soll das wissenschaftlich begleiten", sagte Theiss. "Nach drei Jahren sollen sich alle zusammensetzen: Mediziner, Sozialarbeiter, Sicherheitsbehörden und Politik. Dann muss man ehrlich bewerten, ob der Modellversuch zu einer Verbesserung geführt hat."
Man wolle den Abhängigen helfen - aber auch den Anliegern. "Wir reagieren auch darauf, dass es viele Beschwerden von Münchner Bürgern gab über Spritzen an Spielplätzen und in Hauseingängen - insbesondere auch von Hotelbetreibern."
"Ein Problem zu kontrollieren ist besser, als die Augen davor zu verschließen"
In vielen Bundesländern sind Drogenkonsumräume längst als Hilfsangebot etabliert. So können sich etwa im Frankfurter Bahnhofsviertel bis zu zehn Abhängige in einer Einrichtung Rauschgift spritzen. Die Utensilien, die sie dafür brauchen, erhalten sie am Eingang: Spritze, Kanüle, Löffel, Tupfer, Kochsalzlösung.
Die Folge im Idealfall: Die Abhängigen spritzen sich nicht mehr im öffentlichen Raum. "Ich bin der festen Überzeugung, dass ein solcher Modellversuch zur Stärkung des allgemeinen Sicherheitsgefühls beitragen wird", sagte Theiss. "Ein Problem zu kontrollieren ist besser, als die Augen davor zu verschließen."
Auch für die Suchtkranken erhofft er sich Vorteile. "Wo geschultes Personal ist , kann man das Problem der Überdosierungen besser in den Griff kriegen", sagte der Mediziner. "Man hat mehr Einfluss auf eine Gruppe mit einer viel zu niedrigen Impfquote, die außerdem stark zu Suiziden neigt."
Eine Mehrheit im Stadtrat für den CSU-Antrag dürfte eigentlich kein Problem sein. Nur: Die Stadt darf es weiter nicht alleine entscheiden. Erlauben müsste den Betrieb die Staatsregierung. Dort dürfte mancher noch auf dem alten Gauweiler-Kurs sein. Doch wenn für Theiss alles nach Plan läuft, kann er sich auch selbst ab Herbst im Maximilianeum für das Thema einsetzen.
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