Umstrittener Vorschlag: Union will Strafrecht für Jugendliche einschränken
Berlin - Wer jung ist, will seine Grenzen austesten. Manchmal kommt er oder sie dabei mit dem Gesetz in Konflikt. Oft sind es Ladendiebstähle, aber auch Körperverletzungen oder Rauschgiftdelikte. Letztere findet man besonders häufig bei den Heranwachsenden, also den 18- bis 21-Jährigen. Dies dürfen per Gesetz in bestimmten Fällen nach Jugendstrafrecht verurteilt werden.
In Bayern werden laut Justizministerium 71 Prozent der Heranwachsenden nach Jugendstrafrecht verurteilt, bundesweit sind es 60 Prozent. Der bayerischen Justizminister Winfried Bausback (CSU) will das ändern. Gemeinsam mit dem Amtskollegen aus Baden-Württemberg, Guido Wolf (CDU), will er einen Vorschlag bei der Justizministerkonferenz am 6. und 7. Juni in Eisenach vorlegen. Die Forderung: Das Jugendstrafrecht soll auf 18- bis 21-Jährige deutlich seltener angewandt und der Spielraum bei der Auslegung eingeschränkt werden.
Mit der häufigen Anwendung des Jugendstrafrechts sende man an Straftäter in der Altersgruppe der 18- bis 21-Jährigen ein völlig falsches Signal, argumentierte Wolf.
SPD wirft der Union Populismus vor
Auf AZ-Anfrage erklärt Bausback, wenn in manchen Gegenden Deutschlands 90 Prozent und in anderen 40 Prozent der Heranwachsenden nach Jugenstrafrecht verurteilt würden, "dann haben wir ein Gerechtigkeitsdefizit". Das liege nicht an den Richtern, sondern am Gesetz. "Deshalb müssen wir im Gesetz ausdrücklich klarstellen, dass die Anwendung des normalen Strafrechts auf Heranwachsende die Regel ist und nicht die Ausnahme."
Für die SPD im bayerischen Landtag ist der Vorschlag blanker Populismus. "Darüber entscheiden die Gerichte in absoluter Unabhängigkeit", so SPD-Fraktionsvize Horst Arnold. Nicht jeder sei mit 18 schon so erwachsen, dass er sich der Tragweite seiner Handlungen bewusst sei. "Das gilt natürlich nicht für notorische Straftäter, aber die können ja auch jetzt schon die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen."
Bausback entgegnet auf die Kritik, es entspreche der "paternalisitischen Haltung" der SPD, "die dem Bürger zwar mit 18 Jahren alle Rechte zugestehen, ihn aber gleichzeitig als unmündig behandeln will, wenn er für sein Verhalten die volle strafrechtliche Verantwortung zu übernehmen hat."
Diese Gründe sprechen für die aktuelle Regelung
Auch Lydia Halbhuber-Gassner, Geschäftsführerin der Katholischen Landesarbeitsgemeinschaft Straffälligenhilfe (LAG-S) in Bayern, sieht den Vorschlag der Justizminister kritisch: "Im Jugendstrafrecht ist neben der Strafe ganz stark der Erziehungsgedanke vorhanden", sagt sie der AZ. "Das Jugendstrafrecht geht davon aus, dass die Reife des jungen Menschen noch nicht abgeschlossen ist. Folglich wird mit ihm intensiv gearbeitet, an seiner Entwicklung, am Aufarbeiten der Tat und daran, Perspektiven zu erarbeiten."
Die pauschale Verurteilung nach Erwachsenenstrafrecht berücksichtige den individuellen Entwicklungsgrad nicht und sei nur "auf kurzfristigen Erfolg" angelegt. Entwicklung brauche manchmal länger Zeit und man vergebe sich Chancen, wenn man nur darauf abziele, möglichst schnell abzuurteilen. Für Halbhuber-Gassner riskiert man damit noch mehr den sogenannten "Drehtüreffekt". Im Strafvollzug ist damit gemeint, dass Verurteilte kurz nach der Entlassung aus dem Gefängnis erneut verurteilt werden, weil Resozialisierungsmaßnahmen fehlen.
- Themen:
- Bayerischer Landtag
- CDU
- CSU
- SPD