Tina Lanik inszeniert „Junk“ von Ayad Akhtar
Warngelb leuchtet die Sträflingskleidung. Die letzte Szene im Knast ist die grimmige Pointe eines Wirtschaftsthrillers, der die Visionen einer globalen Finanzblase herunter bricht auf die Träume des „kleinen Mannes“ vom bescheidenen Eigenheim.
Der Gefangene rechnet seinem einkommensschwachen Aufseher vor, wie es gehen könnte: „Die Hypothek verkaufen. Mit dem Erlös gegen die Zahlungsunfähigkeit absichern. Wie Junk“. Das war bereits das Geschäftsmodell, das den Investmentbanker Robert Merkin ins Gefängnis brachte.
Goldgräberstimmung
Aber er ist ein Triebtäter, der süchtig ist nach Deals mit hoch verzinsten Anleihen, den so genannten Junks. Die Hauptfigur in „Junk“ des amerikanischen Erfolgsdramatikers Ayad Akhtar, heißt nicht zufällig so ähnlich wie Michael Milken. Er ist das historische Vorbild für Merkin, der in den 1980er-Jahren der mächtigste Strippenzieher an der Wall Street war und der der totalen Gier der US-Businesswelt sein Gesicht gab. Die Goldgräber-Stimmung jener Zeit war schon häufiger Stoff fürs Kino.
Aber Till Firit, der in Tina Laniks Inszenierung am Residenztheater den Merkin spielt, hat nichts von der koksbefeuerten Aufgkratztheit, wie sie Michael Douglas bereits 1989 in „Wall Street“ zeigte. Firit ist eher der Typ des menschenfreundlichen Silicon-Valley-Entrepreneurs, der auch ein zärtlicher Vater und aufmerksamer Ehemann ist. Er denkt den amerikanischen Traum neu.
„Wir waren mal ein Land, das seine Rechnungen bezahlt und Dinge hergestellt hat“, erinnert sich der superreiche Mittfünfziger Leo Tresler (Manfred Zapatka) und klagt, Merkin „produziere“ nichts als Schulden. Doch diese Schulden, kontert Merkin, „sind das Nichts, aus dem alles entsteht“.
Allegro con brio
Ayad Akhtar nutzt das tragödische Potenzial und denkt sein Schauspiel in den Dimensionen des Big Business: Allein die Besetzungsliste liest sich mit zwölf Hauptrollen und zehn Nebenfiguren wie der Cast eines Königsdramas von shakespeareschem Zuschnitt. Auch Judy Chen (Cynthia Micas) kündigt eine „Geschichte über Könige“ und ihre Schlachten an. Sie ist Wirtschaftsjournalistin und recherchiert für ein Enthüllungsbuch über Junk Bonds. Dieses Buch wird jedoch nie erscheinen, denn Chen lässt sich millionenschwer korrumpieren.
Weitere Erzählstränge sind der Versuch von Thomas Everson (Oliver Nägele), einem Stahlbaron der alten Schule, die Übernahmeattacken Merkins abzuwehren oder der Karriereplan des jungen Staatsanwalts Giuseppe Addesso (Michele Cuciuffo), der mit dem Aufdecken von Merkins illegalen Insidergeschäften seine Chance wittert. Die Dialogmassen bändigt Tina Lanik zu kurzweiligen zwei Stunden durch einfühlsame Striche und das Beherzigen der Tempoangabe, die sich Akhtar bei der Musik auslieh: „Allegro con brio“, schnell mit Feuer, heißt es in einer Vorbemerkung im Manuskript.
Auf der Drehbühne
Für die szenische Beschleunigung erfand Ausstatter Stefan Hageneier ein sich drehendes Zentrum. Es ist um- und bebaut von schmalen Säulen, die sowohl an die skeletthaften Reste eines gestrandeten Schiffs als auch an eine himmelwärts sich reckende gotische Kathedrale erinnern. Das Ensemble ist in seiner schillernden Vielfalt an nicht wirklich sympathischen Charakteren und schrägen Typen sehenswert.
Die Truppe skizziert die sich rasant wechselnden Situationen und Orte sehr präzise und mit einer schauspielerischen Effizienz, wie sie sehr nützlich sein kann, wenn man vom schnellen Geld erzählt.
Residenztheater, wieder morgen, Samstag, 2., 13., 22. Mai, 19.30 Uhr, sonntags 18 Uhr, Telefon 2185194