Urteil im Grafing-Prozess: Täter muss in Psychiatrie

Der seelisch kranke Paul H. (28) muss auf unbestimmte Zeit behandelt werden. Das sagt der Sohn (19) des Todesopfers im Prozess.
John Schneider |
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Prozess gegen den Messerstecher von Grafing vor dem Landgericht München.
dpa Prozess gegen den Messerstecher von Grafing vor dem Landgericht München.

München - Es soll gar nicht erst der Verdacht der "Kuscheljustiz" entstehen. Das ist Richter Thomas Bott sehr wichtig. Paul H. (28), der am 10. Mai 2016 am Grafinger Bahnhof einen Menschen mit Messerstichen tötete und drei schwer verletzte, wird zwar nicht lebenslang ins Gefängnis geschickt, aber auf Anordnung des Schwurgerichts auf unabsehbare Zeit in der Psychiatrie untergebracht. "Das ist die schärfste Sanktion, die unser Strafrecht hat", sagt Bott in der Urteilsbegründung.

Die Entscheidung des Gerichts überrascht am Donnerstag niemanden mehr im Saal 273 des Strafjustizzentrums. In den Plädoyers davor hatten der Staatsanwalt, die Nebenkläger und auch der Verteidiger genau diese Unterbringung für den an paranoider Schizophrenie leidenden Mann gefordert. Aus diesem Grund verzichten alle Prozessbeteiligten auch auf Rechtsmittel. Das Urteil ist daher bereits rechtskräftig.

So sachlich der Prozess auch gelaufen ist, den letzten Prozesstag nutzt der Sohn (19) des ermordeten Siegfried W., um den Täter noch einmal mit dem ganzen Ausmaß seines Schmerzes zu konfrontieren. Paul H. habe seinen Vater "abgeschlachtet". Und: "Sie haben mir die wichtigste Person meines Lebens genommen, meinen Vater, meinen besten Freund", sagt Christoph W. in Richtung des schuldunfähigen Mörders. Der bei diesen Worten – wie fast im gesamten Prozess vorher auch – keine Miene verzieht.

Amokläufer wollte ein Menschenopfer bringen

In seinem letzten Wort aber entschuldigt er sich noch einmal bei den Opfern und den Angehörigen des Todesopfers. Gleich zu Prozessbeginn hatte der 28-Jährige detailliert geschildert, wie er im Wahn gedacht habe, in Deutschland breche der Heilige Krieg aus und er müsse fliehen. Wie er dann in der Nacht des 10. Mai 2016 im Grafinger Bahnhof ein Zeichen Allahs gesehen habe und daraufhin gedacht habe, er müsse mit einem Menschenopfer zum Islam konvertieren.

Paul H. war bereits vor der Tat im heimischen Gießen in psychiatrischer Behandlung gewesen. Seine Medikamente habe er aber eigenmächtig abgesetzt, stattdessen Cannabis konsumiert. Im Nachhinein bereue er das sehr. Trotzdem war nach Ansicht des Gerichts wohl weder für die Polizei noch die behandelnde Klinik vorherzusagen gewesen, dass der 28-Jährige zur Gefahr für seine Mitmenschen werden würde.

Wie lange Paul H. in der Psychiatrie bleiben muss, ist offen. Entscheiden wird das eine Strafvollstreckungskammer, die regelmäßig überprüft, ob Paul H. weiterhin in der Unterbringung bleibt. Der Amokläufer wird jetzt wohl in eine Psychiatrie nach Hessen kommen.

Nur eine Heilung der Krankheit schützt die Allgemeinheit vor Paul H., sagt der Richter. Deswegen die Unterbringung. Alles andere wäre lediglich "Vergeltung".

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