Christian Thielemann dirigiert Mahler

Christian Thielemann und die Staatskapelle Dresden mit Mahlers Dritter in Salzburg bei den Osterfestspielen im Großen Festspielhaus
Robert Braunmüller |
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Die Staatskapelle Dresden im Großen Festspielhaus.
Matthias Creutziger Die Staatskapelle Dresden im Großen Festspielhaus.

Der Wagner-, Strauss- und Bruckner-Dirigent meidet Mahler. In seiner Münchner Zeit wurde Christian Thielemann öfter gefragt, was es mit seiner Abstinenz auf sich habe. Als emotionaler Dirigent scheue er sich, hochemotionale Musik mit eigenen Gefühlen zu verdoppeln, sagte er damals. Nun ist er Chef der Staatskapelle Dresden, die auch nicht unbedingt als Mahler-Orchester gilt, auch wenn den Musikern vor einem Jahr bei den Salzburger Osterfestspielen eine herausragende Aufführung der Neunten unter Franz Welser-Möst gelang.

Nun also die Dritte unter Thielemann im Großen Festspielhaus. Eine Reibung, aus der durchaus Funken schlagen könnten. Thielemann lässt ruppige Gesten, kreischende Klarinetten und die eher rustikalen Blaskapellen-Ausbrüche im ersten Satz zu, ohne das Orchester zu Übertreibungen und Extremisierungen zu animieren. Er drängt straff vorwärts und neigt nicht zum Verweilen. Jeder Einsatz des Horn-Themas bringt eine weitere Steigerung.

Nach dem ersten Satz geht es abwärts

Mit dem typischen gebrochenen Mahler-Tonfall hat die Staatskapelle nicht das geringste Problem. Nur der überbordende Satzschluss wirkt etwas müde und ohne Überschuss an Kraft. Danach ist die Luft raus. Was nach einer Opernpremiere und zwei Konzerten in Folge schon einmal vorkommen kann.

Das „Tempo di Minuetto“ des zweiten Satzes erklingt als Erinnerung an eine verlorene Vergangenheit. Leider erreichen die Musiker schnell wieder die normale Opernbetriebslautstärke. Dem wie üblich auf der Trompete gespielten Posthorn im Scherzo fehlt der romantische Nacht-Zauber. Und niemand, der es gehört hat, wird behaupten wollen, dass das Zusammenspiel des Solisten hinter der Bühne und den Hornisten auf dem Podium an Übergenauigkeit litt.

Auch das kann passieren. Aber danach entglitt Thielemann die Aufführung zunehmend. Es ist ohnehin keine besonders gute Idee, das Solo „O Mensch“ statt einem pastosen Alt einer kühlen Mezzosopranistin zu übertragen. Elina Garanca und die Staatskapelle buchstabierten die erste Strophe ihres Solos „O Mensch“ geheimnislos und die zweite leidenschaftslos.

Im fünften Satz klang der Kinderchor der Salzburger Festspiele kernig aus den Damen des Wiener Singvereins heraus. Irgendwie scheint Thielemann die Bimm-Bamm-Naivität dieses Engelsgesangs peinlich zu sein. Nur hilft es dann nicht, Diskretion zu wagen und das alles nach einer biederen mitteldeutschen Kantorei klingen zu lassen. Denn das dürfte das letzte sein, auf das Mahler hinauswollte.

Der Dirigent verbreitet Hektik

Thielemann zergrübelte den Streicher-Choral am Beginn des Finales und suchte danach vor allem nach den Abgründen und Schatten in diesem Satz, der nach Mahlers Worten von der Liebe erzählt. Er verbreitete Unruhe und Hektik. Das ist gewiss interessanter als eine falsche Ergriffenheit. Aber es ist sehr schwer, dann den Bogen zum hymnischen Schluss hinzubekommen. Die Trompeten phrasierten ihr Thema in der Coda erschreckend banal, der Rest schmeckte nach Posaunenchor. Und auch der Rest des Orchesters erreichte den von Thielemann mit einer recht übertriebenen Orgelei ausgehaltenen Schlussakkord nur mit hechelnder Zunge.

Dann würgte der Dirigent aufbrandenden Applaus ab und erzwang mit seiner Körpersprache Ergriffenheit, die er mit Musik allein nicht bewirkt hatte. Mit Mahlers Gebrochenheit, der Thielemann zu misstrauen scheint, wurde er spielend fertig. Aber das Positive, das er bei Wagner und Richard Strauss scheinbar mühelos gestaltet, wurde hier zur Qual. Die offenkundigen Formschwächen ließen das deutlicher hervortreten, als Thielemann womöglich lieb war.

Aber er möge an Mahler dran bleiben: Dirigenten, denen diese Musik allzu glatt von der Hand geht, gibt es genügend. Das mag als Finale bei einem Verriss nach billiger Freundlichkeit wirken. Aber es ist die Wahrheit.

Das Konzert wird am Karfreitag um 19 Uhr im Großen Festspielhaus wiederholt. Infos zu Restkarten unter www.osterfestspiele-salzburg.at

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