Bruckner und eine Uraufführung von Wolfgang Rihm

Die Münchner Philharmoniker spielen unter Valery Gergiev in der Philharmonie Anton Bruckner und eine Uraufführung von Wolfgang Rihm
Michael Bastian Weiß |
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Der Komponist Wolfgang Rihm.
dpa Der Komponist Wolfgang Rihm.

Wie immer bei Wolfgang Rihm gibt es eine Menge zu hören. Sein neues Orchesterwerk „Transitus III“, in den letzten beiden Jahren als Auftragswerk der Münchner Philharmoniker entstanden, enthält viele Noten. Vielleicht zu viele. Weniger ist dabei ein Problem, dass bis auf kurze Ruhepausen fast immer alle Musiker beschäftigt sind – obwohl man fragen kann, ob der Titel, der soviel meint wie „Übergang“, zu einem Stück passt, das praktisch durchgehend einen stabilen Zustand der Vollständigkeit erreicht. Doch die wohlige Klanglichkeit, in der ständig Kantilenen sprießen, tut keinem weh, nicht einmal dem konservativen Teil des Abonnementpublikums.

Ratlos macht das Stück aber, weil keine Form zu erkennen ist. Auch das ist typisch für Rihms Komponieren. Nicht nur erschließt sich beim Hören nicht, warum das Werk gute zwanzig Minuten dauert und nicht zehn oder 40. Immerhin hört die Musik auf, als das Material auserzählt ist (das ist bei Rihm nicht verlässlich der Fall). Schwerer wiegt, dass die durchgehend wuchernde Üppigkeit kaum Zusammenhänge oder Gliederungen wahrnehmen lässt. Tempowechsel etwa teilen sich nicht mit, weil sie nicht als solche inszeniert sind.

Eine komponierte Improvisation

So hat man den Eindruck, dass Rihm aufschreibt, was ihm gerade einfällt: in einer Art komponierenden Improvisation. Beeindruckend ist, wie wenig er sich darum schert, was heute als aktuell gilt. So wirkt „Transitus III“ merkwürdig aus der Zeit gefallen. Ob das schon als „zeitlos“ gelten kann, sei dem Urteil der Hörer überlassen.

Die Münchner Philharmoniker fügen dem neuen Beitrag einen Pluspunkt hinzu, weil sie schlichtweg phantastisch klingen. Im Gedächtnis bleiben differenzierte Streicher, gesangliche Bläser und monumentale, chromblitzende Ballungen des Blechs. Valery Gergiev nimmt die Aufgabe ernst und leitet die Uraufführung mit einer für ihn seltenen Klarheit der Zeichengebung. Auch in der Symphonie Nr. 4 Es-Dur von Anton Bruckner zeigt sich, wie stark das Orchester und sein Chefdirigent mittlerweile zusammengewachsen sind.

Der mild gerundete Gesamtklang erfüllt die Philharmonie bis in den letzten Winkel; nur in den Tutti gehen die Holzbläser verloren. Neben der ruhigen Ausbreitung der Großform fesselt, wie jede der Episoden bildhaft ausgedeutet wird. Da erscheinen plastisch greifbar nicht nur die lustige Jagd des Scherzos, sondern auch mal fröhliche, mal lakonische Märsche und mysteriös raunende Choräle. Immer besser gelingt es Gergiev und den Philharmonikern bei Bruckner, Emotionalität und Ordnung gegeneinander auszubalancieren.

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