So war der Liederabend von Anna Netrebko

Opernfestspiele: Der Liederabend von Anna Netrebko und Malcolm Martineau im Nationaltheater
Michael Bastian Weiß |
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Malcolm Martineau_und Anna Netrebko im Nationaltheater.
Wilfried Hösl Malcolm Martineau_und Anna Netrebko im Nationaltheater.

Als ob es kein Morgen gäbe, verschwendet Anna Netrebko überwältigenden Wohlklang. Warm und in vielfältigen Abstufungen leuchten die dunkelroten Farben wie Kirschen, jeder der Töne zeigt einen mal heller, mal matter schimmernden Glanz. Hat sie eine Melodie einmal begonnen, lässt sie diese nicht mehr los und verstreicht sie in einem breiten Portato. Jedes noch so kleine Ritardando führt dazu, dass die Zeit auf zauberische Art und Weise still steht.

Im letzten der drei Lieder von Sergej Rachmaninow,„Flieder“ op. 21/7, hält Frau Netrebko den Spitzenton nicht nur ein wenig, wie vorgeschrieben, aus, sondern lässt ihn einer schier ewigen Fermate verglühen – wohlgemerkt in einem perfekt angesetzten, betörenden Pianissimo.

Kurz: Anna Netrebko singt alle diese Lieder und Gesänge als Opernarien. Gerade bei Richard Strauss könnte das einem Puristen gewöhnungsbedürftig erscheinen. Zwar hat die gebürtige Russin und Wahl-Österreicherin an der Aussprache des Deutschen ernsthaft gearbeitet und zeigt sich danach auf entwaffnende Weise erleichtert, wie gut es gelaufen ist. Jene bruchlose Einheit von Sprache und Musik, die für Strauss gefordert wäre, stellt sich allerdings etwa in „Die Nacht“ op. 10/3 nicht ein. Und doch könnte das in diesem Augenblick nicht anders sein.

Schiere Schönheit

Nicht nur überwältigt die schiere Schönheit der Sopranstimme, die in jeder Sekunde voll ausgekostet wird. Vor allem besticht Frau Netrebko in jedem der Lieder mit ihrer Fähigkeit, sich für ein paar Minuten wirklich in die jeweiligen Stimmungswelten hineinzuträumen – und dies auch hinreißend erlebbar zu machen.

Am wohlsten fühlt sie sich in der Rolle der lyrisch-schwärmerischen Verliebten, die sie in den Gesängen von Peter Tschaikowsky, Nikolai Rimski-Korsakow und Rachmaninow verkörpert. Sie geht, tanzt, schwebt dazu auf der Bühne der Bayerischen Staatsoper herum, umgarnt ihren Begleiter Malcolm Martineau und setzt gekonnt einige wenige Requisiten ein: einen Fliederstrauß, der dann züchtig auf dem Boden abgelegt wird, einen silbernen Sternen-Luftballon, der nach dem Duett aus Tschaikowskys Oper „Pique Dame“ mit der Mezzosopranistin Elena Maximova in malerischer Melancholie in die Luft steigt.

Diese ausgeklügelte Choreographie, die aber nie gewollt wirkt, verbindet alle die kurzen Lieder so unterschiedlichen Komponisten wie Claude Debussy, Ruggero Leoncavallo („Mattinata“) oder Frank Bridge in einer Inszenierung, unter dem Motto „Tag und Nacht“. Ein wenig bedauerlich ist da nur, dass Malcolm Martineau alles so unterschiedslos begleitet. Er ist weniger ein gleichwertig phantasievoller Partner als – ein weiteres, lebendes Requisit. Frau Netrebko spielt mit ihm wie mit ihrem dankbaren Publikum.

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